AUTOHAUS SchadenRecht 2-2019

72 10/2019 EDITORIAL AUTOHAUS SCHADENRECHT I n einer Kolumne im Stern las ich kürzlich von der „Shifting Baseline“. Ein Begriff aus der Um- weltforschung, der dort weltpolitisch eingeord- net wurde. Beschrieben wurde der Umstand der kollektiven Wahrnehmungsverschiebung von dem, was normal ist. Es ging um immer neu hinzutreten- de Absurditäten, an die wir uns viel zu schnell ge- wöhnen und die damit zur neuen Normalität wer- den. Was vor ein paar Jahren noch undenkbar war – denken wir an Donald Trump –, sei heute völlig selbstverständlich. Die Bereitschaft sich aufzuregen nutzt sich ab. Wir erwarten das Allerschlimmste, und wenn es nur schlimmwird, sind wir regelrecht dank- bar. Auf diesem Grundmuster fußen wohl auch die Versicherungsstrategien in der Schadenregulierung. Verbringungskosten kürzt die HUK seit geraumer Zeit landesweit und ohne Rechtsgrund. Das ist doch schon „normal“. Eine andere Versicherung ist dazu übergegangen, Ersatzteilaufschläge grundsätzlich nur gegen Nachweis zu erstatten. Das steht im direkten Widerspruch zu unserem Gesetz und der BGH-Rechtsprechung. Der begründende Gedanke hinter dieser Praxis, sie würden bei einer fiktiven Abrechnung ja schließlich auch nicht anfallen, wür- de die fiktive Abrechnung gleich als Ganzes ab­ schaffen. Denn es ist ja gerade ihr Wesen, dass die Kosten (noch) nicht angefallen sind. Was kommt als Nächstes? Auch der BGH scheint sich der „Shifting Baseline“ in der Schadenregulierung nicht entziehen zu kön- nen und änderte im Februar seine Rechtsprechung zur Restitutionsbefugnis des Geschädigten. War in der Vergangenheit klar, dass der Geschädigte selbst bestimmen kann, ob, wann und wie er eine Schaden- beseitigung betreibt, war ebenso klar, dass es einen unzulässigen Eingriff in seine Restitutionsbefugnis darstellen würde, wenn er Angebote der gegneri- schen Versicherung, die auf Sondertarifen beruhen – z. B. geringere Stundenverrechnungssätze von Part- nerwerkstätten –, annehmen müsste. Der Grundge- danke des Gesetzes ist, dass dem Geschädigten eine Schadenbeseitigung in Eigenregie möglich bleiben soll und muss. Damit räumte der BGH nun auf und postulierte, dass ein Geschädigter ein von der geg- nerischen Haftpflichtversicherung vermitteltes güns- tigeres Mietwagenangebot auch dann anzunehmen habe, wenn dem Sonderkonditionen der Versiche- rung zugrunde liegen (BGH, Urt. v. 12.02.19, VI ZR 141/18). Ein klauselhafter Verweis auf die Firmen Europcar, Enterprise und Sixt wurde als ausreichend angese- hen. Die Versicherungen gewinnen mit ihrer lenken- den und mindernden Schadenpolitik zunehmend an Land. Hören wir nicht auf, uns aufzuregen. Wehren Sie sich mit uns. Die „Shifting Baseline“ der Schadenregulierung » Wehren Sie sich mit uns. « Daniela Mielchen, Rechtsanwältin und Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV IMPRESSUM AUTOHAUS SCHADENRECHT Anzeigen-Sonderpublikation in AUTOHAUS SchadenBusiness mit AUTOHAUS 10/2019 im Auftrag der Arbeitsgem. Verkehrsrecht Deut- scher Anwaltverein (DAV) e. V. Chefredaktion: Dr. Daniela Mielchen Realisierung: Springer Fachmedien München GmbH Verlagsvertretung Presse + PR Pfauntsch Otto-Hahn-Straße 28, Aufgang 4 85521 Ottobrunn-Riemerling Tel. 0 89/6 65 90 70 - 0 / Fax -20 Koordination und Schlussredaktion: Andrea Haunschild Korrektorat: Simone Meißner Herstellung: Maren Krapp (Leitung) Grafik/Layout: Lena Amberger, SabineWinzer Druck: L. N. Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien, 47608 Geldern ANZEIGEN-SONDERPUBLIKATION

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