editorial AUTOHAUS schadenrecht
Justizministerium nimmt sich
Versicherungstricksereien vor
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Ohne anwaltliche Vertretung sind viele
zermürbte Geschädigte geneigt, sich nach der
x-ten Abwehr durch die Versicherung auf ein zu
niedriges Abfindungsangebot einzulassen.
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Daniela Mielchen,
Vorstandsmitglied der
Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im DAV
AUTOHAUS SCHADENRECHT
erscheint inAUTOHAUSSchadenBusiness
mitAUTOHAUS10/2013­
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ArbeitsgemeinschaftVerkehrsrecht
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Impressum
N
un ist es endlich so weit: Auch der Gesetzgeber stolpert
über das Zaudern und Zögern der Versicherer, wenn es
um berechtigte und erforderliche Regulierungen geht.
Laut einem Schreiben der Bundesjustizministerin an die Landes-
justizverwaltungen, welches ausschnittweise in der Süddeutschen
Zeitung wiedergegeben wurde, mehren sich Beschwerden, „Ver-
sicherer erstatten mit erheblicher Verzögerung“. Es gehe zudem
darum, die wirtschaftlich stärkere Position auszunutzen mit dem
Ziel, den „Anspruchsteller in zermürbenden Rechtsstreitigkeiten
zur Aufgabe des Anspruchs oder zu einem für den Versicherer
günstigen Vergleich zu bewegen“. Das Justizministerium versucht
nun, die tatsächliche Regulierungspraxis zu ermitteln und die
Notwendigkeit gesetzlicher Vorgaben zu prüfen. Versicherungs-
rechtsexperte Hans-Peter Schwintowski schätzt, dass – variierend
nach Versicherungsart – bis zu 60 Prozent aller Leistungsfälle
abgelehnt werden. Für die Krafthaftpflicht-Sparte sind die Tricks
zur Kürzung berechtigter Ansprüche hinlänglich bekannt. Neben
den ermüdenden Verzögerungs- und Ablehnungspraktiken wir-
ken die Versicherer durch einschüchternde Aussagen in Kombi-
nation mit irreführender Rechtsberatung darauf hin, dass der
Geschädigte seine Dispositionsfreiheit aufgibt und die Schaden-
behebung der Regie der Versicherung überlässt.
Durch Einflussnahme auf die Wahl der Werkstatt und anderer
Dienstleister sowie durch unrichtige Angaben zu angeblich nicht
entstandenen Positionen wie Wertminderung, Mehrwertsteuer,
etc. sparen die Assekuranzen jährlich dreistelligeMillionenbeträge.
Auch die Auto Bild nahm sich in ihrer ersten April-Ausgabe des
Themas an und schilderte einen Fall, wie ihn Verkehrsjuristen
inzwischen regelmäßig aus ihrer Praxis kennen: Michael C. wur-
de von einem entgegenkommenden Linksabbieger in ­einen Fron-
talcrash verwickelt. Bis zur vollständigen Regulierung des Total-
schadens vergingen fast zwei Jahre mit insgesamt 31 Anwalts-
schreiben zu vielen unsinnigen Einwendungen des Versicherers.
Nicht anwaltlich vertreten, sind viele zermürbte Geschädigte ge-
neigt, sich nach der x-ten versicherungsseitigen Abwehr auf ein
zu niedriges Abfindungsangebot einzulassen. Dass eine schnelle
Regulierung auch möglich ist, zeigt sich an unzähligen Kleinschä-
den, die zügig ohne große Gegenwehr reguliert werden, da die
Refinanzierung bereits durch die sich anschließende Höher-
stufung des Versicherungsnehmers gesichert ist.
Ein mutiger Amtsrichter aus Berlin-Mitte hat nun seinen Teil
zur Diskussion beigetragen, indem er in einem Beschluss das
Folgende an die beklagte Versicherung adressiert: „Die Beklagten
werden darauf hingewiesen, dass nach dem Ergebnis der Beweis-
aufnahme – wieder einmal – die wahrheitswidrigen Angaben
eines Haftpflichtversicherers zur behaupteten Höhe der Stunden-
verrechnungssätze widerlegt sind. Es bleibt vorbehalten, die Sa-
che wegen des Verdachts des Prozessbetruges durch die Mitar-
beiter der beklagten Haftpflichtversicherung einer zuständigen
Staatsanwaltschaft vorzulegen, da aufgrund der Prozessführung
der Beklagten und anderer Haftpflichtversicherer in mehreren
Fällen davon auszugehen ist, dass bei der Regulierung einer Viel-
zahl von Kfz-Haftpflichtschäden Geschädigte durch das Aufstel-
len falscher Behauptungen zur Höhe der allgemein zugänglichen
Stundenverrechnungssätze getäuscht worden sind.“
Es regt sich etwas in Justiz, Politik und hoffentlichGesetzgebung!
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Autohaus
10/2013