Seite 4 - AUTOHAUS SCHADENRECHT SB1-2012

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AUTOHAUS schadenrecht
A
utos sind Gebrauchsgegenstände.
Früher oder später zeigen sich da­
her auch Gebrauchsspuren. Diese
können von kleinsten Lackbeschädigun­
gen bis hin zu großflächigeren Schäden in
Form von Verkratzungen und/oder Beu­
len aufgrund unfreiwilliger Kontakte mit
anderen Fahrzeugen oder Gegenständen
reichen. Häufig werden kleinere Beschä­
digungen nicht sofort beseitigt, teilweise,
weil der Besitzer des Fahrzeuges sich hier­
für nicht besonders interessiert, teilweise,
weil hierfür kein Geld da ist oder der
Fahrzeugbesitzer es scheut, seine Vollkas­
koversicherung in Anspruch zu nehmen.
Denn er möchte womöglich die Selbstbe­
teiligung nicht bezahlen und ist auch nicht
bereit, aufgrund eines verhältnismäßig
geringen, rein optischen Schadens eine
Höherstufung im Schadenfreiheitsrabatt
in Kauf zu nehmen. Kommt es zu einem
„richtigen“ Unfall in dem Bereich, der
schon vorgeschädigt war, stellt sich die
Frage, wie das Vorhandensein von Vor­
schäden sich auf das Ausmaß des neu ent­
standenen Unfallschadens auswirkt. Hier
sind verschiedene Konstellationen denk­
bar:
Vollständige Dokumentation
Die meisten Geschädigten teilen das Vor­
handensein von Vorschäden mit. Ent­
scheidend ist dabei, dass der Gutachter
bzw. der Werkstattmitarbeiter, der die
Schäden dokumentiert, vom Geschädig­
ten eindeutig und umfassend über das
Vorhandensein und das Ausmaß von Vor­
schäden informiert wird. Sofern es auf­
grund kleinerer Lackbeschädigungen kein
Gutachten zur Schadenbeseitigung des
Vorschadens gibt, kann eine gegebenen­
falls durch die Reparatur/Lackierung der
vorbeschädigten Stelle resultierendeWert­
verbesserung anspruchsmindernd be­
rücksichtigt werden. Im Ergebnis verrin­
gert sich damit aufgrund des vorhandenen
Vorschadens die Höhe des Schadenersatz­
anspruches aufgrund des nachfolgenden
Unfalls im selben Bereich.
Fiktive Reparaturkosten
Sofern der Geschädigte an seinem Fahr­
zeug bereits einen Schaden hatte, für den
ein Gutachten bzw. Kostenvoranschlag
eingeholt worden ist, und es dann im sel­
ben Schadenbereich nochmals zu einem
größeren Schaden kommt, bei dessen Be­
seitigung auch der Vorschaden vollständig
beseitigt wird, kann der Geschädigte
trotzdem fiktive Reparaturkosten für die
Co-Beseitigung des Vorschadens verlan­
gen, da es den Schädiger nicht entlasten
soll, wenn er durch Zufall ein bereits vor­
beschädigtes Fahrzeug trifft (vgl. BGH,
Urt. v. 12.03.2009, VII ZR 88/08). Festzu­
halten ist damit, dass bei Offenlegung der
Vorschäden und deren Dokumentation
im Ergebnis für den Geschädigten keine
Probleme auftreten.
Schadenersatzanspruch entfällt
Problematisch ist es, wenn Vorschäden
nicht offenbart werden. Die Gründe hier­
für können vielfältig sein. Soweit es sich
um kleinere Lackschäden handelt, werden
diese oft schlicht vergessen, teilweise hal­
ten die Geschädigten es nicht für relevant,
dass sich kleinere Beschädigungen im ent­
sprechenden Bereich befunden haben. Es
gibt aber durchaus auch die Fälle, in ­denen
Vorschäden bewusst verschwiegen wer­
den, weil man hofft, endlich auf fremde
Kosten einen gegebenenfalls selbst ver­
schuldeten Schaden ersetzt zu bekommen.
In aller Deutlichkeit ist darauf hinzu
weisen, dass immer dann, wenn man ab­
sichtlich über den Umfang der tatsächlich
unfallbedingt eingetretenen Beschädi­
gung täuscht, um eine vermeintlich hö­
here Entschädigungsleistung zu erhalten,
ein strafbares Verhalten gegeben ist. Doch
die Folgen sind nicht nur im strafrecht­
lichen Bereich zu suchen, sondern auch
für die zivilrechtliche Frage des Schaden­
ersatzes ist das Verschweigen von Vor­
schäden relevant. Denn dann, wenn in
einem bereits vorbeschädigten Bereich ein
neuer Schaden eintritt und eine Abgren­
zung der Schäden nicht möglich ist, ent­
fällt ein Schadenersatzanspruch vollstän­
dig. Dies ist keine „Strafe“ für den Geschä­
digten, der wissentlich oder unwissentlich
Vorschäden nicht angibt, sondern das Er­
gebnis der juristischen Beweislastregeln:
Beweispflicht beim Geschädigten
Ein Geschädigter muss beweisen, dass ein
ganz bestimmter Schaden aus einem ganz
bestimmten Unfallereignis stammt. So­
fern es Streit über das Vorliegen von Vor­
schäden bzw. den Umfang eines Unfall­
schadens gibt, wird regelmäßig, sei es
außergerichtlich oder in einem gericht­
lichen Prozess, ein Gutachten eines Sach­
verständigen für Unfallrekonstruktionen
eingeholt. In aller Regel lässt sich damit
Besser
ehrlich
Regulierungspraxis
E
Wer beim Thema
Vorschäden falsch spielt, geht im erneuten Schaden-
fall leer aus.
von Nicolas Eilers (Rechtsanwalt)
Lesen Sie hier...
... welche Konsequenzen es für den Geschä-
digten haben kann, der gegnerischen Versiche-
rung einen Vorschaden zu verschweigen.
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Autohaus
5/2012