AUTOHAUS Schadenrecht
RA Klaus Schultze-Rhonhof
Pflicht, einen mangelfreien Wagen zu lie-
fern und für eventuell doch vorhandene
Mängel geradezustehen. ImGegenteil: Pa-
ragraph 477 Abs. 1 Nr. 1 BGB verpflichtet
ihn sogar, ausdrücklich und imDetail da-
rauf hinzuweisen, dass die gesetzlichen
Mängelansprüche durch die Garantie-
bedingungen nicht eingeschränkt werden.
Sachmängelhaftung und Garantie
Die Sachmängelhaftung folgt völlig ande-
ren Regeln als die Haftung aus Garantie.
Wer eine Garantie abgibt, entscheidet im
Wesentlichen selbst darüber, nach wel-
chen Regeln und für welche Verspre-
chungen er einstehen möchte. So geben
beispielsweise die Automobilhersteller oft
Garantien für die Haltbarkeit ihrer Pro-
dukte ab. Wenn dann ein entsprechendes
Bauteil defekt ist, kann sich der Kunde
direkt an den Hersteller wenden, obwohl
er mit ihm nie einen Vertrag geschlossen
hat, aus dem er solche Rechte herleiten
könnte. Den Kaufvertrag hat er ja nur mit
dem Händler geschlossen.
Dieser wiederum haftet nicht für die
Garantie des Herstellers, sondern er un-
terliegt wegen des Kaufvertrages der ge-
setzlichen Sachmängelhaftung. Die be-
deutet nicht mehr und nicht weniger als
dass der Kaufgegenstand bei Übergabe an
den Kunden mangelfrei sein muss. Der
Verkäufer wird durch das Gesetz sogar
noch begünstigt: Bevor der Kunde eine
andere Werkstatt auf Kosten des Verkäu-
fers mit teuren Reparaturen beauftragen
darf, muss er zuerst dem Verkäufer selbst
Gelegenheit geben, den Mangel zu besei-
tigen. Darauf kann sich der Gebrauchtwa-
genhändler gegenüber Lena F. aber nicht
mehr berufen, da er jegliche Reparaturen
und Zahlungen unter Verweis auf die Ga-
rantie ausdrücklich verweigert hat. Die
Kundin kann somit auf seine Kosten eine
Werkstatt mit der Reparatur beauftragen.
Abschleppkosten und
Nutzungsausfallentschädigung
Wie sieht es aber nun mit den Abschlepp-
kosten und der Nutzungsausfallentschä-
digung aus? Diese Positionen sind keine
Kosten der eigentlichen Mangelbeseiti-
gung. Es handelt sich dabei um Schäden,
die der Kundin entstanden sind, weil der
Händler seine Pflicht verletzt hat, ihr
einen mangelfreien Wagen zu übergeben.
Hier gibt es eine entscheidende Beson-
derheit: Während der Händler für die Be-
seitigung der Mängel in jedem Fall einzu-
stehen hat, muss er Schadensersatz nur
dann leisten, wenn er die Schädenmindes
tens fahrlässig verursacht hat. Ihn trifft als
Gebrauchtwagenhändler aber nicht die
Pflicht, jeden eingekauften Wagen vor
dem Verkauf eingehend in der Werkstatt
auf mögliche Mängel zu untersuchen.
Eine Sichtprüfung genügt in der Regel
(
vgl. OLG Karlsruhe, 25.10.2010, Az.: 4 U
71/09).
Ihm kann daher nicht vorgewor-
fen werden, die verrostete Schlauchschel-
le fahrlässig übersehen zu haben.
Achtung vor dem Kleingedruckten
An dieser Stelle kommt es für den Ge-
brauchtwagenhändler allerdings erneut zu
einer bösen Überraschung: Als ihm der
Anwalt der Kundin die Garantieurkunde
entgegenhält, muss er feststellen, dass es
sich in Wahrheit nur um eine Rückversi-
cherung handelt. Er hat sich nicht genau
genug mit den Formularen der Versiche-
rung befasst. In Wirklichkeit ist er selbst
der Garantiegeber und bekommt seine
Kosten lediglich von der Versicherung er-
stattet. Ohne näheres Hinsehen hat er auf
demGarantieantrag selbst bestätigt, „dass
an den garantiebedingten Teilen eine
Funktions-, Geräusch- und äußere Sicht-
prüfung vorgenommen wurde und keine
erkennbaren Mängel bestehen.“
Damit ist die Fahrlässigkeit des Ver-
käufers bewiesen. Hätte er die von ihm
bestätigten Prüfungen am Motor sorg-
fältig vorgenommen, so wäre ihm die ver-
rostete Schlauchschelle nicht verborgen
geblieben. Er haftet für alle Schäden seiner
Kundin. Als er zu seinem eigenen Anwalt
geht, kann dieser den Befund nur bestäti-
gen. Besonders ärgerlich ist, dass ihm sein
Anwalt zeigt, wie er seine gesetzliche Haf-
tung mit einem Satz hätte vermeiden kön-
nen. Als Unternehmer kann der Verkäufer
die Sachmängelgewährleistung zwar nicht
völlig ausschließen. Er kann aber in seinen
AGB vorsehen, dass diese Haftung bei Ge-
brauchtwagen nach einem Jahr verjährt.
Das Jahr ist bei Lena F. bereits verstrichen.
Was soll der Händler tun?
In Zukunft will sich der Händler auch die
Formulare seiner Garantieversicherung
näher ansehen. Denn es ist doch sehr frag-
lich, ob es tatsächlich in seinem Interesse
liegt, gegenüber dem Kunden selbst als
Garantiegeber aufzutreten, der im besten
Fall seine Kosten von der Garantiever-
sicherung lediglich erstattet bekommt.
Wenn er die gesetzliche Sachmängel-
haftung durch die Garantie überhaupt
nicht verringern kann, bedeutet eine sol-
che Versicherung für ihn in Wahrheit ein
zusätzliches Risiko. Besser wäre es für ihn,
keine eigene Garantie anzubieten und die
gesetzliche Haftung durch geeignete AGB
zu reduzieren.
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Häufig erfahren Geschädigte erst durch professionelle Beratung, wie sie nach einem Schadenfall
weiter vorgehen können und sollen.
Klaus Schultze-Rhonhof ist Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Verkehrsrecht. Er ist Mitgrün-
der und Partner des Büros Jota Rechtsanwälte
in Gießen und Hüttenberg. Dort bearbeitet er
neben dem Verkehrsrecht vor allem arbeits-
rechtliche und AGB-rechtliche Mandate.
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18/2012
Autohaus
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