raturkostenrechnungen nicht oder nicht in
voller Höhe ausgeglichen werden.
Dies wird regelmäßig auf sogenannte
Prüfberichte gestützt, in denen entspre-
chende Positionen als „überhöht“ bzw. als
angeblich nicht notwendig bezeichnet
werden. Dieses Abrechnungsverhalten
verkennt, dass nach der Rechtsprechung
des BGH den Schädiger das „Werkstatt
risiko“ trifft. Insoweit hat der BGH aus
geführt: „Es darf nicht außer Acht gelas-
sen werden, dass Erkenntnis und Ein
wirkungsmöglich-
keiten seitens des
Geschädigten bei
der Schadenregu-
lierung regelmä-
ßig Grenzen ge-
setzt sind. Dies vor
allem, sobald er
den Reparaturauf-
trag erteilt und das
Unfallfahrzeug in die Hände von Fachleu-
ten übergeben hat.“ (BGHZ 63, 182 ff.)
Der BGH hat weitergehend ausgeführt,
dass es dem Sinn und Zweck des Schaden-
rechtes widersprechen würde, wenn der
Geschädigte bei Ausübung der ihm durch
das Gesetz eingeräumten Ersetzungs-
befugnis im Verhältnis zu dem ersatz-
pflichtigen Schädiger mit Mehraufwen-
dungen der Schadensbeseitigung belastet
bliebe, auf deren Entstehung er keinen
Einfluss hat und die ihren Grund darin
haben, dass die Schadensbeseitigung in
einer fremden, vom Geschädigten wohl
nicht kontrollierbaren Einflusssphäre
stattfinden muss (BGHZ 63, 182 ff.).
Prognoserisiko
Das Prognoserisiko zeigt sich besonders
bei einer Instandsetzung des Fahrzeuges
im Rahmen der 130-Prozent-Grenze.
Ermittelt der Sachverständige Repara-
turkosten in Höhe von beispielsweise 120
Prozent des Wiederbeschaffungswerts des
beschädigten Kfz, so ist der Geschädigte
berechtigt, das Kfz nach Maßgabe des
Gutachtens instandsetzen zu lassen. Dem-
entsprechend schließt der Geschädigte
nach Kenntnis des Gutachtens einen Re-
paraturauftrag mit der Werkstatt zur In-
standsetzung seines Fahrzeuges ab.
Da zu Recht im Interesse der Scha-
densminderung eine schnelle Reparatur
anzustreben ist, bestellt die Werkstatt un-
verzüglich die notwendigen Reparatur-
teile. Wenn sich unerwartet nach Freile-
gung des Fahrzeuges zeigt, dass weiterge-
hende Schäden aufgetreten sind, stellt sich
die vorhergehende Prognose des Sachver-
ständigen als unzutreffend heraus. Da der
Reparaturauftrag bereits abgeschlossen
ist, wird der Geschädigte den Vertrag mit
der Werkstatt zu erfüllen haben.
Der Schädiger hat den Geschädigten in
diesem Fall konsequenterweise nun auch
von den Kosten freizustellen, die aufgrund
der Nachbesserung jetzt ggf. die 130-Pro-
zent-Grenze überschreiten (BGH NJW
1992, 302
ff.).
Dieses Ergebnis
ist praxisgerecht.
Würde ein Sach-
verständiger re-
gelmäßig eine
Freilegung des
Fahrzeuges ver-
an l a s s en , um
Prognosefehler
weitgehend zu vermeiden, würde dies bei
jeder Begutachtung zu nicht unerheblichen
weitergehenden Kosten führen. Auch in-
soweit ist es sachgerecht, dem Schädiger
das Prognoserisiko aufzuerlegen.
Auswahlrisiko
Da ein Unfall plötzlich und unvorher-
sehbar geschieht, bleibt es im Einzelfall
nicht aus, dass ein Geschädigter einen
Sachverständigen beauftragt, der nicht
über die notwendige Sachkunde verfügt.
Der beauftragte Sachverständige, der
die Rechtsprechung des BGH zur Ermitt-
lung des Restwerts nicht kennt, ermittelt
zum Beispiel nur zwei statt der notwen-
digen drei Restwertangebote. Infolge des-
sen veräußert der Geschädigte sein be-
schädigtes Fahrzeug zu einem zu geringen
Restwert. Da der Sachverständige nicht
Erfüllungsgehilfe des Geschädigten ist,
kann der Fehler des Sachverständigen die-
sem durch den Versicherer nicht entge-
gengehalten werden. Entsprechendes gilt
bei Fehlern oder auch Verzögerungen der
Werkstatt, die für den Geschädigten nicht
vorhersehbar waren.
Finanzierungsrisiko
Viele Fahrzeuge auf Deutschlands Straßen
sind finanziert. Bei einer nicht geringen
Zahl von Verkehrsteilnehmern führt dies
im Schadensfall zu dramatischen Situati-
onen. Von einem Moment auf den ande-
ren kann die Arbeitsstelle nicht mehr er-
reicht werden. Bei dieser Fallkonstellation
handelt es sich häufig um ältere Fahr-
zeuge, die nicht mehr fahrbereit einen
wirtschaftlichen Totalschaden erlitten ha-
ben. Der Geschädigte ist hier oft nicht in
der Lage, den Schaden vorzufinanzieren.
Der Restwert kann regelmäßig schon
deshalb nicht erlöst werden, weil die fi-
nanzierende Bank den Brief erst nach Ab-
lösung des Darlehensvertrags herausgibt.
Da bereits ein noch laufendes Darlehen
für das beschädigte Fahrzeug besteht, er-
hält der Geschädigte keinen weiterge-
henden Kredit von seiner Hausbank bzw.
einer sonstigen Bank. In diesen Fallkon-
stellationen ist der Schädiger bzw. seine
Haftpflichtversicherung unverzüglich auf
diese Situation hinzuweisen.
Wird dann gleichwohl nicht – und sei
es nur darlehensweise – reguliert, so trägt
der Schädiger das Finanzierungsrisiko mit
der Folge, dass der Geschädigte berechtigt
ist, bis zur Verfügungstellung der notwen-
digen Mittel für die Ersatzbeschaffung ein
Mietfahrzeug zu führen oder eine Nut-
zungsausfallentschädigung zu beanspru-
chen (vgl. OLG Köln DAR 2012, 333 ff.).
In der zitierten Entscheidung des OLG
Köln ging es um die Dauer der Mietwa-
gennutzung für 133 Tage. Entsprechendes
gilt auch für den Anspruch auf Nutzungs-
ausfallentschädigung.
Nicht vergessen werden darf, die Versi-
cherung unverzüglich nach Bekanntwer-
den der Finanzierungsschwierigkeit hier-
über zu informieren, damit ihr Gelegen-
heit gegeben wird, zügig Abhilfe zu schaf-
fen. Tut sie dies – wie häufig – nicht, trägt
sie die volle Last der nicht unerheblichen
Ansprüche auf Mietwagenkosten- bzw.
Nutzungsausfallentschädigungsersatz, die
die reinen Wiederbeschaffungskosten
nicht selten deutlich überschreiten.
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Dem Schädiger ist sach-
gerecht das Prognoserisiko
aufzuerlegen.
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Rolf-Helmut Becker,
Fachanwalt für Versicherungs- und Verkehrsrecht
Rechtsanwalt Rolf-
Helmut Becker ist
Fachanwalt für Ver-
sicherungs- und Ver-
kehrsrecht sowie Part-
ner der Kanzlei Fincke
Rechtsanwälte
in
Bergneustadt. Er ist
deutschlandweit als
Referent im Verkehrs-
recht tätig und be-
schäftigt sich ausschließlich mit verkehrs- und
versicherungsrechtlichen Mandaten.
RA rolf-helmut becker
autohaus schadenrecht
5/2013
Autohaus
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