wurde behauptet, die Höhe der SV-Rech-
nungen sei „nicht erforderlich“. Die Frage
der Erforderlichkeit ist tatsächlich ein
Knackpunkt. Ersetzt werden müssen
nämlich nur die objektiv erforderlichen
Sachverständigenkosten. Wie man diese
ermittelt, bzw. nicht ermittelt, hat der
Bundesgerichtshof am 11.02.2014 ent-
schieden (VI ZR 225/13).
Das vorherige Gericht (LG Darmstadt)
hatte es sich einfach gemacht. Dort ver-
glich man das geltend gemachte Honorar
mit dem Umfrageergebnis des Bundes­
verbandes der freiberuflichen und unab-
hängigen Sachverständigen (BVSK). Man
stellte fest, dass der Kläger ca. 90 Euro
mehr verlangte, als die Honorarbefragung
bei vergleichbarer Schadenshöhe ergeben
hatte, und wies die Klage in Höhe von
90
Euro als nicht mehr erforderlich ab.
Den wirtschaftlicherenWeg wählen
Das, so der Bundesgerichtshof, gehe nicht.
Stattdessen sind die Aufwendungen er­
forderlich, die ein vernünftig denkender
Mensch in der Lage des Geschädigten
­
machen würde. Kann der Geschädigte die
Höhe der Kosten beeinflussen, ist er im
Rahmen des ihm Zumutbaren gehalten,
den wirtschaftlicheren Weg zu wählen.
Wichtig dabei: Der Geschädigte muss sich
nicht so verhalten, als ob er den Schaden
selbst zu tragen hätte. Daraus folgert der
BGH weiter, dass gerade keine Marktfor-
schung betrieben werden müsse.
Grundsätzlich darf der Sachverständi-
ge beauftragt werden, der ohne weiteres
erreichbar ist. Das wird in aller Regel der-
jenige sein, den die Werkstatt empfiehlt.
Problematisch wird es erst dann, wenn die
Preise des Sachverständigen deutlich er-
kennbar über den üblichen Preisen liegen.
Jetzt ist also der Versicherer am Zug. Er
muss belegen, dass
1.
die Kosten erheblich über den üblichen
Preisen liegen,
2.
der Geschädigte dies erkennen konnte.
Kann er das nicht, muss die gesamte Ho-
norarrechnung beglichen werden.
Nun ist klar, dass der Geschädigte
meist weder die regionalen Marktpreise
noch das Ergebnis der BVSK-Honorarbe-
fragung kennt. An das Grundhonorar ist
somit seitens des einsparungswilligen Ver-
sicherers schwer heranzukommen. Neben
demGrundhonorar fallen aber auch soge-
nannte Nebenkosten an, beispielsweise
Fahrtkosten, Fotokosten, Porto oder
Schreibkosten.
Diese Kosten könne ein Laie durchaus
einschätzen und müsse auch merken,
wann diese erheblich über dem Üblichen
angesiedelt seien. Das meinte jedenfalls
das Landgericht Saarbrücken. Zudem er-
mittelte es eine Grenze von 100 Euro. Bis
+++VERKEHRSRECHTSTICKER+++
Falsch beraten –Werkstatt muss zahlen
Wirdman von einerWerkstatt falsch beraten, be-
kommt man den Schaden ersetzt. So hat das
Oberlandesgericht Oldenburg am 26. Juni 2014
(
AZ: 1 U 132/13) einer Autofahrerin 6.250 Euro als
Nutzungsausfall zugesprochen.
In dem von der Arbeitsgemeinschaft Verkehrs-
recht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitge-
teilten Fall hatte dieWerkstatt einer Kundin eine
falsche Auskunft gegeben. IhrenVWT4 mit
einemKilometerstand von ca. 250.000 brachte
sie imMai 2012 wegen Ölverlustes in dieWerk-
statt. Bei dem Fahrzeug hatte zuvor eine andere
Werkstatt einen Austauschmotor eingebaut. Ein
Mitarbeiter derWerkstatt erklärte dem Sohn der
Halterin, der Ölverlust sei nicht auf Verschleiß,
sondern auf einen erheblichenMotorschaden
zurückzuführen. Es sei davon abzuraten, das
­
Fahrzeug bis zur Klärung der genauen Ursache in
diesemZustand für größere Strecken zu nutzen.
Die Frau führte daraufhin ein Beweissicherungs-
verfahren gegen die andereWerkstatt durch und
ließ ihr Fahrzeug 197 Tage unbenutzt stehen. Es
stellte sich heraus, dass der vomMitarbeiter der
zweitenWerkstatt geäußerteVerdacht eines Mo-
tor- oder Getriebeschadens falsch war. Nach den
Ausführungen des gerichtlichen Sachverstän-
digen handelte es sich bei dem erneuten Austre-
ten von Öl nur um eine unbedeutende Störung,
nämlich ein sogenanntes„Motorschwitzen“,
welches sichmit sehr geringemAufwand beseiti-
gen ließ und was keinesfalls ein Zerlegen des
Motors oder des Getriebes erforderlichmachte.
Die Frau verlangte Nutzungsausfall.
Das Gericht gab ihr Recht.Wegen des falschen
Rats sprachen die Richter ihr für insgesamt 125
Tage eine Entschädigung in Höhe von 6.250 Euro
zu.Wegen der falschen Auskunft habe die Halte-
rin ihrenWagen nicht für die tägliche Fahrt zur
Arbeit nutzen können. Die Höhe des täglichen
Nutzungsausfallschadens schätzte das Gericht
auf 50 Euro. Das Oberlandesgericht bezog sich
dabei auf eine Tabelle zur Nutzungsausfall­
entschädigung von Kraftfahrzeugen.
zu dieser Grenze könnten Nebenkosten
pauschal abgerechnet werden. Alles was
darüber liege, sei ersichtlich zu viel.
Dieses Urteil dürfte für eine Menge
­
Arbeit bei den Amtsgerichten gesorgt ha-
ben und weiter sorgen. Denn nun hatte es
der Versicherer einfach: „Nebenkosten?
100
Euro. Alles andere ist deutlich über-
höht“.
Einzelfall entscheidet
Der BGH hat diesen Unsinn am
22.07.2014
mit deutlichen Worten aufge-
hoben (VI ZR 357/13). Entscheidend ist
demnach immer der Einzelfall. Eine pau-
schale Begrenzung, so die Ausführungen,
(
oder auch Zulässigkeit) der Berechnung
von Nebenkosten auf 100 Euro „entbehrt
einer hinreichend tragfähigen Grundlage“.
Dieses Urteil wird die Streitigkeiten
um die Nebenkosten allerdings weiter
­
anfeuern. Denn der BGH beanstandete
andere Bewertungen des LG Saarbrücken
nicht. Demnach könne bei den Nebenkos-
ten gerade nicht auf die BVSK-Befragung
zurückgegriffen werden, da diese nicht
hinreichend aussagekräftig sei. Außerdem
hielt das LG Saarbrücken die Kosten für
den gefahrenen Kilometer von 1,05 Euro
und die Kosten von 2,45 Euro für ein Foto
als erkennbar deutlich überhöht.
Es bleibt also dabei: Der Einzelfall ent-
scheidet. Bei Nebenkosten wird sich der
Kampf um „sechzehneurofuffzich“ fort-
setzen. Warten wir ab, wie sehr Versiche-
rer die Öffentlichkeit zudem künftig über
angemessene SV-Kosten aufklären.
Jörg Schmenger
RA JÖRG SCHMENGER
Jörg
­
Schmenger
ist in der Kanz-
lei Schmenger,
Greß mit Sitz
in Mainz tätig.
Er ist Fach­
anwalt für
­
Verkehrsrecht
und ­Mitglied
der Arbeits­
gemeinschaft
Verkehrsrecht
im Deutschen
Anwaltverein (DAV). In seinem Blog„rechts-
verkehr.de“ klärt er regelmäßig über ver-
kehrsrechtliche Fragen auf.
AUTOHAUS SCHADENRECHT
116
23-24/2014