AUTOHAUS SchadenRecht 2-2019

Für den Laien nicht immer leicht erkennbar ist die Frage nach dem„Bagatellschaden“. ? ? SCHADENPRAX I S Autohäuser fragen und Verkehrsanwälte antworten Foto: Bernd Schweiger In dieser Rubrik stellen Leser Fragen zur Unfallschadenabwicklung an die Verkehrsanwälte im Deutschen Anwaltverein (DAV). dem Risiko ausgesetzt, die Kosten der Begutachtung nicht als notwendige Repa- raturkosten ersetzt zu bekommen. Nach wie vor stellen diese Richtwerte jedoch keine starren Wertgrenzen dar, mit denen der Erstattungsanspruch steht und fällt. Fraglich ist, inwiefern die Schadenshöhe für den Laien in der konkreten Schadens- situation erkennbar war. Ist demnach für den Laien erkennbar, dass es sich um einen oberflächlichen (Lack-)Schaden handelt, der die innenliegenden Bauteile offensichtlich nicht beeinträchtigt und deshalb die Schadenshöhe der Bagatell- schadensgrenze nicht erreicht, rechtfer- tigt sich eine kostenträchtige Schadens- analyse nicht. Anders zu beurteilen sind jedoch solche Fälle, in denen das Scha- densbild bspw. Parksensoren oder meh- rere Bauteile betrifft. Es kann dem Laien nicht abverlangt werden, auf Grund einer äußeren Sichtprüfung die Funktionsfä- higkeit sensibler technischer Bauteile ab- zuschätzen. Mangels gegenteiliger gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung ist die Bagatellschadensgrenze von 750 Euro weiterhin als Richtwert heranzuziehen. Daneben sollten Geschädigte vor der Be- auftragung eines Gutachters jedenfalls eine Sichtprüfung vornehmen, diese do- kumentieren und ggfs. Rücksprache mit ihrem Rechtsbeistand halten, um Kos- tenrisiken zu minimieren. ■ D ie heutigen Themen beschäftigen sich mit den Fragen, was im De- tail unter „Gemeinkosten“ zu ver- stehen ist und ab welcher Höhe aktuell die „Bagatellgrenze“ angesetzt wird. Frage 1: „Was fällt alles unter die soge- nannten „Gemeinkosten?“ RAMartin Diebold, Tübingen: Gemein- kosten sind nach der Definition eines im Internet frei zugänglichen Lexikons Kos- ten, die einem Kostenträger nicht direkt zugeordnet werden können. Hieraus folgt, dass Kosten, die direkt zugeordnet wer- den können, nicht unter Gemeinkosten fallen. Kosten für eine Probefahrt oder das Auslesen eines Fehlerspeichers bilden daher eindeutig keine Gemeinkosten. Folgerichtig hat das Amtsgericht Gie- ßen in seinem Urteil vom 12.10.2018 – 45 C 37/18 – hinsichtlich von unfallbeding- ten Kosten einer Probefahrt und für das Auslesen des Fehlerspeichers entschieden: „Soweit die Beklagte meint, hierbei han- dele es sich um Tätigkeiten, für die ein Unternehmen keine gesonderte Vergü- tung verlangen könne, kann dem nicht gefolgt werden. Es liegt auf der Hand, dass alle Handlungen, die im Zusammen- hang mit der Reparatur eines Fahrzeuges von einer Werkstatt unternommen und einer konkreten Reparatur zugerechnet werden können, in die Preisbildung, d. h. die Reparaturkosten einfließen. Sowohl die Durchführung einer Probefahrt als auch das Auslesen eines Fehlerspeichers sind für ein Reparaturunternehmen mit entsprechenden Personalkosten verbun- den, die nachvollziehbar an den Auftrag- geber weitergegeben werden.“ Im Übrigen hat auch der Geschädigte keinen Einfluss auf die Kostenkalkulati- on der Werkstatt. Jede Werkstatt wird die Kosten, die generell anfallen, wie Strom, Heizung etc., nicht je durchgeführter Re- paratur in der Rechnung ausweisen. Denn hierbei handelt es sich tatsächlich um Gemeinkosten. Die Werkstatt wird nur die Kosten gesondert ausweisen, die eindeutig der jeweiligen unfallbedingten Reparatur zugeordnet werden können. Würde man z. B. die Probefahrt in die Gemeinkosten einstellen, müssten die Stundensätze entsprechend erhöht wer- den. Dann zahlen Kunden, bei denen eine Probefahrt nicht erforderlich war, die Probefahrten der anderen Kunden mit. Dies kann nicht richtig sein. Vielleicht sollten sich die Versicherer ab und zu durch einen Blick in Wikipe- dia darüber informieren, was Gemein- kosten sind, ehe sie einzelne Reparatur- positionen mit der Begründung, es han- dele sich hierbei um Gemeinkosten, als nicht erstattungsfähig abtun. Frage 2: „Wo liegt denn nun die Bagatell- schadensgrenze? Bei 750 Euro, 1.000 Euro oder mehr?“ RA Ralph-Leonhard Fugger, Onsabrück: Die Bagatellschadensgrenze, oberhalb de- rer die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Sachverständigen gemeinhin zu bejahen ist, liegt unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 30.11.2004, VI ZR 365/03; bestätigend: OLG München, Beschl. v. 16.01.2016, 10 U 579/15) bislang bei einer Bruttoscha- denssumme von 750 Euro. Aufgrund all- gemeiner Preissteigerungen und insbe- sondere gestiegener Reparatur- und Er- satzteilpreise heben einige Gerichte die Bagatellschadensgrenze aktuell auf 1.000 Euro an (AG Bielefeld, Urt. v. 25.01.2018, 421 C 438/17, m. V. a. LG Arnsberg, Urt. v. 07.12.2016, 3 S 54/16). Geschädigte se- hen sich auf Grund der divergierenden Rechtsprechung nunmehr in Grenzfällen NOCH FRAGEN Sind Rechtsaspekte unklar? Haben Sie Fragen an die Fachanwälte? Dann schreiben Sie bitte an: AUTOHAUS-SchadenRecht Otto-Hahn-Str. 28 85521 Ottobrunn-Riemerling d.mielchen@mielco.de ANZEIGEN-SONDERPUBLIKATION 10/2019 73 AUTOHAUS SCHADENRECHT

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