Seite 11 - AUTOHAUS SCHADENRECHT SB4-2011

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Norm bereits dem Wortlaut nach nicht
mehr erfasst sei. Dies ist jedoch nicht der
Fall. Aus den Gesetzesmaterialien ergibt
sich ganz eindeutig ein Anspruch des
Kunden auf Ersatz der Umsatzsteuer.
So wurde gerade in der Gesetzesbe­
gründung der hier behandelte Sachverhalt
erkannt und dazu explizit ausgeführt,
„dass die Umsatzsteuer angefallen ist,
wenn und soweit sie der Geschädigte zur
Wiederherstellung aus seinem Vermögen
aufgewendet hat“. (…) Auch wenn der Ge­
schädigte das Gebot der Wirtschaftlichkeit
verletzt und nicht den günstigeren Weg
der Schadensbeseitigung wählt, verliert er
damit nicht den Anspruch auf Ersatz der
Umsatzsteuer, wenn die Umsatzsteuer auf
dem von ihm gewählten Weg anfällt. Sein
Anspruch ist jedoch auf den Umsatzsteu­
erbetrag begrenzt, der bei demwirtschaft­
lich günstigerenWeg angefallen wäre: Fällt
bei der konkretenWiederherstellung Um­
satzsteuer auf den Kaufpreis für das neue
Fahrzeug an, kann sie bis zur Höhe des
Umsatzsteuerbetrages verlangt werden,
der bei der wirtschaftlich günstigerenWie­
derherstellung angefallen wäre.
Aus diesem Grunde hat das Landge­
richt Aschaffenburg (Az: 23 S129/10) in
einem der Fragestellung identischen Fall
die gegnerische Versicherung zur Zahlung
der Umsatzsteuer verurteilt. Die Versiche­
rung hat nachfolgend, um kein Grund­
satzurteil durch den Bundesgerichthof zu
erhalten, die ursprünglich eingelegte Re­
vision zurückgenommen.
Wertminderung
Frage:
Die zahlungspflichtige Haftpflicht-
versicherung verweigert die Zahlung einer
Wertminderung, weil das Fahrzeug schon
sechs Jahre alt und 112.000 Kilometer ge-
laufen ist. Im Übrigen seien nur Schraub-
teile ersetzt worden. Ist das richtig?
Frank-Roland Hillmann:
Erstens, zur
Wertminderung: Das ist so nicht mehr
richtig. Allerdings gab es früher einmal
eine Tabelle, die einen radikalen Schnitt
vorschrieb, wenn sich ein Fahrzeug im
fünften Zulassungsjahr befand, also älter
als vier Jahre und/oder mehr als 100.000
Kilometer gelaufen war. Diese Tabelle mit
demNamen „Ruhkopf/Sahm“ stammte aus
dem Jahr 1962. Damals waren die Autos
noch von ganz anderer, nämlich wesentlich
schlechterer Qualität. Ein fünf Jahre altes
Auto hatte seinerzeit einen wesentlich ge­
ringeren Wert, als das heute der Fall ist.
Heute wird man eine solche Grenze viel­
leicht bei acht oder zehn Jahren ansetzen
können. Auch die Laufleistung der heu­
tigen Fahrzeuge ist eine wesentlich größere
als damals. Selbst Benziner laufen heute
200.000 Kilometer, Diesel gut und gerne
das Doppelte. Auch das war seinerzeit an­
ders: Bei der Hälfte war meistens Schluss.
Arten der Wertminderung
Die Wertminderung ist ein finanzieller
Ausgleich dafür, dass ein Auto mit einem
reparierten Vorschaden im Falle dessen
Verkaufs weniger wert ist als ein nicht vor­
geschädigtes Fahrzeug. Aber sogar das ist
heute in vielen Fällen kein Argument
mehr. Denn bei dem heutigen Stand der
Reparaturtechnik verbleibt in dem größ­
ten Teil der Fälle nichts mehr zurück.
Ganz im Gegenteil werden so schon ver­
schlissene Teile ausgetauscht, also erneu­
ert, und führen eigentlich sogar zu einer
Wertverbesserung. Die Frage, ob ein Fahr­
zeug eineWertminderung erfahren hat, ist
vielmehr eine psychologische. Denn Fach­
werkstätten sind heute in der Lage, einen
Unfallschaden perfekt und rückstandsfrei
zu reparieren, sodass von einer techni­
schen Wertminderung gar nicht mehr die
Rede sein kann. Aber eine merkantile –
also kaufmännische – Wertminderung ist
so lange gegeben, wie die potenziellen
Käufer für ein Fahrzeug mit repariertem
Vorschaden weniger ausgeben würden, als
für das gleiche Fahrzeug ohne Vorscha­
den. Und das ist auch noch bei einem
sechs Jahre alten Fahrzeug mit 112.000
Kilometern Laufleistung der Fall.
Keine starren Grenzen mehr
Somit gibt es solche starren Grenzen heute
nicht mehr, und das ist aus den genannten
Gründen auch richtig. Es kommt heute
entscheidend auf die Ausführungen eines
Kfz­Sachverständigen an. Nur der kann
aufgrund seiner Erfahrung eine zutreffen­
de Bewertung der Wertminderung ermit­
teln. Deshalb sollte bei einem Unfallscha­
den – soweit es darum geht, Schadens­
ersatzansprüche gegenüber einer Haft­
pflichtversicherung geltend zu machen –
immer ein Sachverständiger beauftragt
werden, um damit auch die Frage klären
zu lassen, ob und gegebenenfalls in wel­
cher Höhe eine Wertminderung entstan­
den ist und ausgeglichen werden muss.
Wichtig ist auch noch, dass es natürlich
nicht darauf ankommt, ob das Auto ver­
kauft wird oder wann das geschieht. Es
kommt allein auf den Zeitpunkt des Un­
falls an. Wenn diese Frage erst in einem
langwierigen Gerichtsprozess geklärt wer­
den muss, kann es schwierig werden, die
Wertminderung noch rückwirkend rich­
tig zu bestimmen. Auch aus diesemGrun­
de sollte also dann ein Sachverständiger
hinzugezogen werden, wenn das Auto
Gerade bei älteren Fahrzeugen mit hoher Laufleistung wird dieWertminderung oftmals in Zweifel
gezogen – der Fachanwalt kann Klarheit über die Rechte schaffen.
AUTOHAUS ScHAdenRecHT
23-24/2011
AutohAus
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