Neufahrzeugabrechnung. Derjenige, der
ein Neufahrzeug soeben erworben hat,
wird nicht gezwungen, dauerhaft mit
einem im Prinzip neuen, jedoch verun-
fallten Fahrzeug zu fahren. Voraussetzung
ist zunächst ein quasi neues Fahrzeug. Die
überwiegende Rechtsprechung zieht hier
die Grenze bei einer Fahrleistung von
1.000 Kilometern und einer Gebrauchs-
dauer von einem Monat, maximal aber
zwei Monaten. Daneben muss eine erheb-
liche Beschädigung gegeben sein. Schließ-
lich setzt der Anspruch die tatsächliche
Anschaffung eines „neuen“ Neuwagens
voraus. Dann hat der Geschädigte einen
Anspruch auf den Ersatz des Neuwagen-
preises des beschädigten Fahrzeuges zum
Zeitpunkt der Ersatzbeschaffung. Davon
in Abzug zu bringen ist der Restwert des
beschädigten Fahrzeuges. Einzelheiten
sind rechtlich umstritten, bedürfen in
jedem Fall der Hinzuziehung eines Ver-
kehrsanwaltes und empfehlen die Abspra-
che durch diesen mit der haftpflichtigen
Versicherung.
Wirtschaftlicher Totalschaden
Tatsächlich ein Totalschaden liegt vor,
wenn es aus technischer Sicht unwirt-
schaftlich ist, das beschädigte Fahrzeug zu
reparieren. Dies ist der Fall, wenn die ge-
schätzten Reparaturkosten (z. B. 11.000
Euro) zuzüglich Wertminderung (z. B.
1.000 Euro) den Wiederbeschaffungswert
des Fahrzeuges (z. B. 10.000 Euro) überstei-
gen. In diesem Fall ist eine Reparatur des
Fahrzeugs durch den Geschädigten grund-
sätzlich unvernünftig, so dass er lediglich
Ersatz des Wiederbeschaffungswerts ab-
züglich des Restwertes verlangen kann.
Hier existiert eine einzige Ausnahme.
Übersteigen die Reparaturkosten zuzüg-
lich einer Wertminderung denWiederbe-
schaffungswert um lediglich maximal 30
Prozent wie im obigen Beispiel, dann darf
der Geschädigte sein Fahrzeug reparieren
und Ersatz der Reparaturkosten verlan-
gen. Voraussetzung ist dabei jedoch eine
vollumfängliche sach- und fachgerechte
Reparatur des Fahrzeuges gemäß den Vor-
gaben des Sachverständigengutachtens.
Dabei ist es insbesondere bei älteren Fahr-
zeugen ausreichend, wenn eine alters-
gerechte Reparatur erfolgt, zum Beispiel
Gebrauchtteile zur Reparatur benutzt wer-
den. Wichtig ist, dass der Fahrzeugzu-
stand wieder hergestellt wird, der vor dem
Unfall bestand.
integritätsspitze
Gebilligt wird diese sogenannte Integri-
tätsspitze, weil der BGH dem Geschä-
digten ein besonderes Interesse an seinem
Fahrzeug zubilligt, da der Eigentümer
eines Fahrzeuges weiß, wie dieses ein-
gefahren, gewartet und sonst behandelt
worden ist, ob und welche Mängel dabei
aufgetreten und auf welche Weise sie be-
hoben worden sind. Verkauft der Geschä-
digte sein Fahrzeug jedoch innerhalb von
sechs Monaten nach der Reparatur, wider-
legt er regelmäßig selbst, ein solches Inte-
resse an dem Fahrzeug gehabt zu haben,
so dass er die über dem Wiederbeschaf-
fungsaufwand höheren Reparaturkosten
an den Schädiger zurückzahlen muss.
Entschieden dabei ist jedoch, dass der
Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten
sofort begehrt werden darf und nicht etwa
erst nach Ablauf des halben Jahres. Für den
Fall, dass sich bei Durchführung der Repa-
ratur herausstellen sollte, dass die Repara-
turkosten doch den Wiederbeschaffungs-
wert um mehr als 30 Prozent übersteigen,
kann der Geschädigte auch die dann hö-
heren Reparaturkosten ersetzt verlangen.
Denn das Prognoserisiko trägt stets der
Schädiger. Da die Entscheidung für den
Geschädigten vor der Reparatur reiflich
überlegt sein will, billigt ihm die Recht-
sprechung einen sogenanntenÜberlegungs-
zeitraum zwischen zwei und zehn Tagen
zu. Die in dieser Zeit entstandenen Miet-
wagenkosten hat der Schädiger zu ersetzen.
Totalschadenabrechnung
Ebenfalls ein Totalschaden liegt vor, wenn
die Summe aus Reparaturkosten (z. B.
7.500 Euro) und Wertminderung (z. B.
1.000 Euro) zwar niedriger sind als der
Wiederbeschaffungswert (z. B. 10.000
Euro), jedoch höher als die Differenz von
Wiederbeschaffungswert und Restwert
(z. B. 2.000 Euro). Die Differenz aus Wie-
derbeschaffungswert und Restwert wird
dabei als Wiederbeschaffungsaufwand
bezeichnet, der vorliegend 8.000 Euro be-
trägt. Als Restwert ist dabei nur ein sich
auf dem regionalen Markt ergebender
Wert zu berücksichtigen und nicht Son-
dermärkte wie Restwertbörsen.
Wahlrecht abrechnung
Hier hat der Geschädigte grundsätzlich das
Wahlrecht zwischen einer Abrechnung der
Reparaturkosten und der Totalschadens-
abrechnung. Unproblematisch kann er das
Fahrzeug zudemimGutachten ausgewiese-
nen Restwert (also 2.000 Euro) veräußern.
Ist ihm zum Zeitpunkt des beabsichtigten
Verkaufs ein höheres Restwertangebot des
Versicherers bekannt, muss er auf dieses
zurückgreifen, auch wenn es aus einem
Sondermarkt stammt. Zudemkann er vom
Schädiger die Differenz von Wiederbe-
schaffungswert und Restwert ersetzt ver-
langen (also 8.000 Euro).
abrechnung Reparaturkosten
Andererseits kann sich der Geschädigte
auch für die Abrechnung der Reparatur-
kosten und Wertminderung entscheiden.
Er erhält nach dem obigen Beispiel vom
Schädiger 8.500 Euro. Dabei hat er das
Wahlrecht, ob er das Fahrzeug vollum-
fänglich reparieren lässt, lediglich eine
Teilreparatur in Auftrag gibt oder das
Fahrzeug unrepariert weiter nutzt. In je-
dem Fall muss er aber, um sein Interesse
an dieser für den Schädiger teureren Ab-
rechnungsmethode nachzuweisen, das
Fahrzeug für mindestens sechs Monate
weiter benutzen. Ansonsten sieht er sich
wiederum dem Risiko ausgesetzt, die
Mehrkosten zurückzahlen zu müssen, was
nach dem obigen Beispiel also 500 Euro
entspricht.
z
Ra chRisTiaN JaNeczek
Rechtsanwalt Christian Janeczek ist als Fachanwalt
für Verkehrsrecht und für Strafrecht in Dresden
tätig. Zudem ist er Regionalbeauftragter der
Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen
Anwaltverein sowie Mitglied der Arbeitsgemein-
schaft Strafrecht. Er ist Partner der insgesamt
stringent auf das Verkehrsrecht spezialisierten
Rechtsanwaltskanzlei Roth und Partner.
Rechtsanwalt christian Janeczek
auTOhaus schadeNRechT
23-24/2011
AutohAus
141