Seite 7 - AUTOHAUS SCHADENRECHT SB1-2012

Basic HTML-Version

Überschreitung der 130-Prozent-Grenze
zulässig sei, wenn bei einem gebrauchten
Pkw aufgrund der Verwendung von ge-
brauchten Teilen die tatsächlichen Repa-
raturkosten unter die 100-Prozent-Marke
sinken. Rabatte, die imNachhinein auf die
Rechnung gewährt würden, sollten aber
– so ein späteres Urteil – unberücksichtigt
bleiben. Dies dürfte nun für den Werks-
angehörigenrabatt nicht gelten, da nach
dem hier besprochenen Urteil der Scha-
den von vornherein nur in Höhe des ge-
ringeren Rechnungsbetrages entsteht.
Hinweis für die Praxis
Kann ein Kunde für die Reparatur einen
Werksangehörigenrabatt in Anspruch
nehmen, sind bei der Auswahl der Mög-
lichkeiten zur Schadensbeseitigung
(Reparaturschaden/130-Prozent-Abrech-
nung/Totalschaden) nicht immer die Zah-
len des Sachverständigengutachtens aus-
schlaggebend.
Dies hat zur Folge, dass eine Reparatur
wesentlich häufiger, nämlich auch bei
­höheren Schäden, durchgeführt werden
kann. Klären Sie das aber vorab mit der
eintrittspflichtigen Versicherung. Oder
besser: Lassen Sie es klären.
z
Es ist zu befürchten, dass die BGH-Rechtspre-
chung der letzten Jahre, wonach der Geschä-
digte unter gewissen Umständen auf die
gleichwertige Reparatur einer nicht marken-
gebundenenWerkstatt verwiesen werden
darf, sich nun zunehmend in der Instanzen-
rechtsprechung der Amts- und Landgerichte
für Fälle der tatsächlich erfolgten Reparatur
durchsetzt.
Die Hürden, die für die Annahme einer Gleich-
wertigkeit der Reparatur aufgestellt werden,
sind denkbar gering. So wird im Rahmen der
Gleichwertigkeit nicht etwa diskutiert, ob die
Reparaturmethoden für hoch- und höchstfeste
Stähle oder für technische Besonderheiten bei
z. B. Aktivlenkung, Spurhalteassistent oder Ab-
standsradar ausreichen, sondern lediglich ein
Mindestmaß an Qualitätsansprüchen definiert.
Gleichwertig soll eine Reparatur in einer freien
Werkstatt gegenüber der Markenwerkstatt be-
reits dann sein, wenn die freieWerkstatt Mit-
glied im Kfz-Zentralverband ist und es sich um
einen Meisterbetrieb handelt, der Originaler-
satzteile verbaut, regelmäßigen Qualitätskon-
trollen unterliegt und einer Markenwerkstatt
gleichwertige Sachmangel-, Garantie- und
Kulanzleistungen gewährt.
Sollte also die Versicherung den Erstkontakt
zum Geschädigten erhalten, könnte sie ihm –
soweit sein Fahrzeug älter als drei Jahre und
nicht scheckheftgepflegt ist – nun auch im
Haftpflichtfall auf nicht markengebundene
Werkstätten verweisen. Der Geschädigte
müsste dieser Empfehlung unter Voraussetzung
der oben genannten Gleichwertigkeitskriterien
Folge leisten und wäre für die Markenwerkstatt
verloren. Hat er sich jedoch bereits an sein Au-
tohaus gewandt und ist der Reparaturauftrag
erteilt, ist die Steuerungsmöglichkeit für die
Versicherung verloren.
Ein weiterer Grund für die Autohäuser, bei ihren
Kunden um den Erstkontakt im Schadenfall zu
werben. Idealerweise und um die optimale Ge-
samtabwicklung des Schadens sicherzustellen,
geschieht dies in Kooperation mit Anwälten
und Sachverständigen, da nur in einem solchen
Verbund mit einer Rundum-sorglos-Komplett­
abwicklung geworben werden darf.
Der Kunde sollte sein Autohaus und nicht die
Versicherung als natürlichen, ersten Ansprech-
partner nach einemVerkehrsunfall begreifen.
z
Aus für die freie
Werkstattwahl?
++++Verkehrs
rechtsticker++++
Rechtsanwalt Jörg Schmenger
Rechtsanwalt Jörg Schmenger ist in der Kanzlei
Schmenger, Greß mit Sitz in Mainz tätig. Er ist
Fachanwalt für Verkehrsrecht und Mitglied der
Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen
Anwaltverein (DAV). In seinem Blog„rechtsver-
kehr.de“ klärt er regelmäßig über verkehrsrecht-
liche Fragen auf.
Rechtsanwalt Jörg Schmenger
Dritter im Einzelfall darstellen. Ein
Werksangehörigenrabatt zähle nicht dazu,
so dass sich der Kläger diese Gutschrift
anrechnen lassen musste (Urtei l v.
18. 10. 2011 – VI ZR 17/11). Wäre unser
BMW’ler bei der fiktiven Abrechnung
­geblieben, hätte er die fiktiven Reparatur-
kosten in Höhe von 3.400 EUR behalten
dürfen. Zur Vorlage einer Rechnung ist
kein Geschädigter verpflichtet.
Auswirkung auf 130-Prozent-Fälle
Das Urteil des BGH hat aber auch etwas
Gutes. Die Richter führten aus, dass
sich der erforderliche Aufwand zur
Schadensbehebung nach der besonderen
Situation bemisst, in der sich der Ge-
schädigte befindet. Weitergedacht muss
diese Konstellation auch für Fälle gelten,
bei denen der Reparaturaufwand dem
Wiederbeschaffungsaufwand gegen­
übergestellt werden muss. Eine ganze
Reihe von Totalschäden würde dann in
die „normale“ Reparatur­abrechnung fal-
len.
Außerdem könnte sich der Anwen-
dungsbereich der „130-Prozent-Fälle“
erweitern. Hierzu hatte der BGH unlängst
geurteilt, dass eine Reparatur auch bei
AUTOHAUS Schadenrecht
5/2012
Autohaus
67
Foto: ©Yuri Arcurs - Fotolia.com