AUTOHAUS SCHADENRECHT SB15-H1 - page 4

Diese Argumente sind vielfach nicht
tragfähig, da der durch einen Unfall ent-
standene Schaden, unabhängig von dessen
Umfang und demAufwand der Reparatur,
im Falle einer Veräußerung des verunfall-
ten Wagens offenbart werden muss. So-
bald potenzielle Käufer Kenntnis davon
erlangen, dass es sich um ein Unfallfahr-
zeug handelt, erwarten diese regelmäßig
Preisnachlässe. Als nicht offenbarungs-
pflichtige Bagatellschäden gelten nur ganz
geringfügige äußere Lackschäden, nicht
hingegen weitergehende Blechschäden.
Allein der Umstand, dass das Fahrzeug bei
einem Unfall einen nicht unerheblichen
Schaden erlitten hat, stellt einen Sachman-
gel dar, sofern der Verkäufer auf diesen
Schaden nicht hingewiesen hat (BGH Ur-
teil vom 10.10.2007 Az.: VIII ZR 330/06;
NJW 2008, 53).
Hierbei gibt es nach Ansicht des LG
Saarbrücken, Urteil vom 18.03.2011, Az.:
13 S 158/10 keine „pauschale Bagatell-
grenze“. Vielmehr kommt es ausschließ-
lich darauf an, ob sich die Reparatur spür-
bar auf denWiederverkaufswert auswirkt.
Muss sich ein durch einen Unfall beschä-
digtes Fahrzeug auf dem Gebrauchtwa-
genmarkt gegen unfallfreie Pkw behaup-
ten, liegt es auf der Hand, dass aufgrund
der Vorschäden – auch wenn diese nur
durch den Austausch von Schraubteilen
repariert wurden – Preisnachlässe erwar-
tet werden.
Das AG Berlin-Mitte, Urteil vom
12.03.2010, Az.: 114 C 3146/08, vertritt
die Auffassung, dass es bei der merkanti-
len Wertminderung nur auf die Differenz
zwischen dem erzielten Verkaufspreis vor
und nach einemUnfall ankommt. Das AG
Duisburg sieht eine Wertminderung stets
als gegeben an, da der Unfallschaden
offenbarungspflichtig ist, Urteil vom
13.02.2013, Az.: 52 C 4939/11. Dieser An-
sicht schließen sich auch das AG Frank-
furt in seinemUrteil vom 06.02.2012, Az.:
32 C 1718/11 (22) und das AG Saarlouis,
Urteil vom 11.02.2008, Az.: 30 C 1735/07
an. Das AGMölln stellt klar, dass ein mer-
kantiler Minderwert nicht nur dann vor-
liegt, wenn ein erheblicher Eingriff in das
Fahrzeuggefüge vorgenommen wird, Ur-
teil vom 12.10.2007, Az.: 3 C 280/07. Nach
Ansicht des BGH ist die Grenze für nicht
mitteilungsbedürftige Bagatellschäden
sehr eng zu ziehen, Urteil vom 10.10.2007,
Az.: VIII ZR 330/06. Eine Wertminderung
entstehe allenfalls dann nicht, wenn leich-
te Kratzspuren durch eine einfache Nach-
lackierung behoben werden könnten,
BGH Urteil vom 20.05.2009, Az.: VIII ZR
191/07.
Festzuhalten bleibt, dass ein geringer
Reparaturumfang bzw. ein nur kleiner
Schaden nicht zu einem Entfallen des An-
spruchs auf merkantile Wertminderung
führt.
Fahrzeugalter / Laufleistung
Auch das Alter bzw. eine hohe Laufleis-
tung sind kein zwingendes Ausschlusskri-
terium für das Entstehen einer merkanti-
len Wertminderung.
Dennmit der technischen Entwicklung
und der zunehmenden Langlebigkeit der
Fahrzeuge hat sich die Bedeutung der
Laufleistung auf dem Gebrauchtwagen-
markt verändert. Daher kann nicht mehr
auf eine starre Kilometergrenze abgestellt
werden. Vielmehr muss für jeden Einzel-
fall gesondert geprüft werden, ob sich der
Unfallschaden wertmindernd auswirkt.
Auch bei älteren Fahrzeugen ist ein
merkantiler Minderwert nach einem Un-
fall nicht ausgeschlossen, da sich auch
insofern die Bedeutung des Fahrzeugalters
auf demGebrauchtfahrzeugmarkt gewan-
delt und an die Langlebigkeit neuerer
Fahrzeugmodelle angepasst hat.
Fazit:
Für die Erstattungsfähigkeit des merkan-
tilen Minderwertes kommt es weder auf
den Reparaturumfang bzw. ob ein Baga-
tellschaden vorliegt noch auf das Alter
oder die Laufleistung des Pkw an, sondern
allein darauf, dass der Pkw durch das
schädigende Unfallereignis einen vermö-
gensmindernden Wertverlust erlitten hat,
der entsprechend kompensiert werden
muss.
Karoline Guzy
RA KAROLINE GUZY
Karoline Guzy
ist bei arr
Rechtsanwälte
in Düsseldorf
schwerpunkt-
mäßig auf dem
Gebiet des Ver-
kehrsrechts
tätig. Darüber
hinaus hat sie
die Leitung
des Schadenmanagements in der Kanzlei
inne.
+++VERKEHRSRECHTSTICKER+++
Beschädigung der Hebebüh-
ne beim Reifenwechsel
Fährt bei einemReifenwechsel eine Hebe-
bühne herunter und wird beschädigt,
haftet nicht die Kfz-Versicherung, sondern
die private Haftpflichtversicherung. Der
Schaden ist nicht durch den Betrieb des
Fahrzeugs entstanden. Die Arbeitsge-
meinschaft Verkehrsrecht des Deutschen
Anwaltvereins (DAV) informiert über eine
Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe
vom 23. Mai 2014 (AZ: 9 S 460/13).
Der Autofahrer wechselte die Reifen an
seinem Fahrzeugmit Hilfe der Hebebüh-
ne in einer Hobbywerkstatt. Bei der
Demontage wurde ein Reifen unter den
Tragarmder Hebebühne gelegt. Beim
Herabsenken der Hebebühne traf der
Arm auf den Reifen und verformte sich.
Es war unklar, welcheVersicherung für
den Schaden aufkommenmüsste.
Die private Haftpflichtversicherungmuss
zahlen, entschied das Gericht. Der Scha-
den sei nicht durch den„Betrieb eines
Fahrzeugs“ entstanden, und nur dann
müsse die Kfz-Versicherung zahlen. Zwar
könnten auchVorbereitungen für das
Fahren zum„Betrieb“ gehören, insbeson-
dere auch Reparaturen. Im vorliegenden
Fall sei jedoch die Hebebühne bewegt
worden. Daher greife die private Haft-
pflichtversicherung.
Karlsruhe, 01.04.2015 (Nummer 13/15)
70
11/2015
AUTOHAUS SCHADENRECHT
1,2,3 5,6
Powered by FlippingBook