AUTOHAUS SCHADENRECHT SB15-H3 - page 4

AUTOHAUS SCHADENRECHT
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18/2015
+++VERKEHRSRECHTSTICKER+++
Mit Kurzzeitkennzeichen
sorgsamumgehen
Mit Kurzzeitkennzeichenmuss man sorgsam
­umgehen. Versichert sind nur die Fahrzeuge, die
demHalter gehören.Wird das Kennzeichen wei-
tergegeben und an einem anderen Fahrzeug
montiert, gilt der Versicherungsschutz nicht. Dies
ergibt sich aus einer Entscheidung des Oberlan-
desgerichts Stuttgart vom 22. Oktober 2014 (AZ:
3 U 36/14), wie die Arbeitsgemeinschaft Ver-
kehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV)
mitteilt.
Das in einen Unfall verwickelte Auto hatte ein
Kurzzeitkennzeichen. Dieses war aber nicht für
das Fahrzeug ausgestellt, sondern für Fahrzeuge
eines anderen Halters. DieVersicherung, die das
Kurzzeitkennzeichen ausgegeben hatte, wollte
daher nicht haften.
Zu Recht. Das Gericht stellte klar, dass nur die
­Autos des Halters versichert sind, für den das
Kurzzeitkennzeichen ausgestellt wurde. Die blo-
ßeWeitergabe des Kennzeichens führe also nicht
zumVersicherungsschutz, wenn das Auto nicht
dem angegebenen Halter gehöre.
Berlin, 16.07.2015 (Nummer VerkR 25/15)
Ein Kurzzeitkennzeichen wird in aller Regel
einem bestimmten Fahrzeug zugeordnet, zu
dem der jeweilige Haftpflichtversicherer
auch eine EVB (Elektronische Versicherungs-
bestätigung; früher„Versicherungs-Doppel-
karte“) ausgestellt hat. Schraubt man ein
solches Kennzeichen (gilt übrigens auch für
„normale“ Kennzeichen) dann an ein anderes
Fahrzeug, wird es kritisch: In diesem Fall exis-
tiert kein Versicherungsschutz, beim Unfall
muss die Assekuranz (verständlicherweise)
auch nicht zahlen.
ALEXANDER HOF
Alexander Hof
ist Sachbear-
beiter für Stra-
ßenverkehrsan-
gelegenheiten
der Kanzlei
Kunz Rechtsan-
wälte & Steuer-
berater. Die
Kanzlei ist am
Mittelrhein (Ko-
blenz/Bonn/
Mainz) unter anderem im Bereich des Ver-
kehrsrechts tätig. Ein Hauptaugenmerk liegt
hier auf der Vertretung von Autohäusern
und deren Kunden bei der Abwicklung von
Haftpflichtschäden.
lich zu bewerten. Regelmäßig wird von
demGeschädigten nicht zu erwarten sein,
dass er beurteilen kann, ob die von der
Versicherung vorgegebene günstigere Re-
paraturmethode vergleichbar ist mit dem
im Gutachten vorgesehenen Reparatur-
weg. Im Zweifel empfiehlt es sich, den
Gutachter des Geschädigten um eine Stel-
lungnahme zu bitten.
Konkrete Abrechnung im Rahmen
der„130%-Grenze“
Gleiches gilt auch in den sogenannten
„130%-Fällen“, also bei den Schäden, in
denen die Kosten einer fachgerechten Re-
paratur nicht mehr als 30 % über dem
Wiederbeschaffungswert des beschädig-
ten Fahrzeuges liegen. Voraussetzung
hierfür ist jedoch, dass die Reparatur fach-
gerecht, vollständig und nach Maßgabe
des in Auftrag gegebenen Gutachtens er-
folgt. Auch hier sind die Kosten der Repa-
ratur innerhalb der 130%-Grenze in der
Regel selbst dann ersatzfähig, wenn der
Schädiger bzw. der Haftpflichtversicherer
den Geschädigten vor Erteilung des Repa-
raturauftrages auf eine fachgerechte, aber
kostengünstigere Reparaturmöglichkeit
(Smart-Repair-Methode) hingewiesen
hat. Der Geschädigte belegt bei der kon-
kreten Schadensabrechnung sein beson-
deres Interesse an einer Reparatur der
vorgenommenen Art durch die Repara-
turrechnung und ihm wird eine techni-
sche Einschätzung der jeweiligen Repara-
turmethode nicht zumutbar sein. Eine
Stellungnahme des Gutachters kann sich
allerdings auch hier empfehlen.
Fiktive Abrechnung
Grundsätzlich kommt in Fällen der fikti-
ven Abrechnung eine Verweisung auf eine
günstigere gleichwertige Reparatur zu-
mindest in Betracht. Unter Berücksichti-
gung der Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs ist dem Geschädigten ein Ver-
weis auf eine kostengünstigere Werkstatt
jedoch dann unzumutbar, wenn das be-
schädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt
nicht älter als 3 Jahre war. Aber auch bei
älteren Fahrzeugen kann es für den Ge-
schädigten unzumutbar sein, sich auf eine
technisch gleichwertige Reparaturmög-
lichkeit außerhalb der markengebunde-
nen Fachwerkstatt verweisen zu lassen,
wenn das Fahrzeug bisher nachweislich
stets in einer markengebundenen Fach-
werkstatt gewartet und repariert wurde.
Sofern die Versicherung auf ein in der
markengebundenen Werkstatt des Ortes
zugängliches vermeintlich gleichwertiges
Smart-Repair-Verfahren verweist, sollte
der Gutachter des Geschädigten zu der
angeblichen Gleichwertigkeit Stellung
nehmen.
In den Fällen, in denen das beschädig-
te Fahrzeug bereits älter als 3 Jahre ist und
auch nicht in einer markengebundenen
Fachwerkstatt gewartet und repariert wur-
de, ist ein Verweis auf eine kostengünsti-
gere Werkstatt möglich. Dann ist jedoch
ebenfalls zu prüfen, ob die von dem Schä-
diger aufgezeigte, alternative Reparatur-
möglichkeit vom Qualitätsstand her der
Reparatur einer markengebundenen
Fachwerkstatt entspricht. Dies muss der
Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversi-
cherer beweisen.
Fazit
Bei der konkreten Schadensabrechnung
ist der Geschädigte in den von der Recht-
sprechung entwickelten Grenzen – insbe-
sondere der sogenannten 130%-Grenze
– privilegiert. Ein Verweis auf die Smart-
Repair-Methode kommt hier in der Regel
nicht in Betracht. Gleiches gilt imRahmen
der fiktiven Abrechnung, soweit das be-
schädigte Fahrzeug nicht älter als 3 Jahre
alt war oder der Geschädigte nachweist,
dass er sein Fahrzeug bisher immer in ei-
ner markengebundenen Fachwerkstatt hat
reparieren und warten lassen. Außerdem
muss der Schädiger bzw. Versicherer u. a.
darlegen und beweisen, dass die Smart-
Repair-Methode gleichwertig ist.
Alexander Hof
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