WAS TUN, WENN ES „GEKRACHT“ HAT?
Aus Fehlern zu lernen muss
nicht immer teuer sein
Fotos: ArGeVerkehrsrecht, Sabine Kreutzer
Unwissenheit, Ungeduld oder Dreistigkeit – die Gründe für Fehlverhalten im Straßenverkehr sind vielfältig.
Doch wer hat Schuld, wenn es zum Unfall kommt? Nicht immer liegt die Antwort auf der Hand
I
m nachfolgenden Interview erläutert
Verkehrsanwalt Jörg Elsner von der
Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht
des DAV (Deutscher Anwaltverein) e.V.,
mit welchen Verkehrsfehlverhalten er im
Berufsalltag oft zu tun hat und wie ein
spezialisierter Anwalt helfen kann.
AH:
Herr Elsner, welche Fehler im Stra-
ßenverkehr kommen in Deutschland am
häufigsten vor und warum?
J. Elsner:
Besonders oft werden die Vor-
fahrtsregeln nicht beachtet, aber auch
Zusammenstöße durch falsches Abbiegen
und Auffahrunfälle sind leider an der Ta-
gesordnung. Häufig spielt dabei Unwis-
senheit eine Rolle, zum Beispiel durch
mangelnde Fahrpraxis bei Fahranfängern
oder schlichtweg vergessene Verkehrsre-
geln bei langjährigen Autofahrern. Viele
Autofahrer setzen sich aber auch bewusst
über Verkehrsregeln hinweg. Das alles
führt zu Fehlern, die immer wieder ver-
meidbare Unfälle verursachen.
AH:
Bei der Vorfahrt gibt es oft Unklar-
heiten – gilt nicht immer „rechts vor
links“?
J. Elsner:
Grundsätzlich ja, aber es gibt
Einschränkungen wie die „halbe Vor-
fahrt“: An einer Kreuzung gleichberech-
tigter Straßen darf man nur so langsam
an den Kreuzungsbereich heranfahren,
KURZFASSUNG
Der tägliche Straßenverkehr verlangt
schnelle und zuweilen komplexe Entschei-
dungen. Auch Erfahrung und Emotionen
spielen dabei eine Rolle. Das Wissen um
grundsätzliche Probleme und Verhaltens-
regeln, gerade auch nach einem Unfall,
kann existentiell sein.
„Ein Verkehrsanwalt
setzt immer die Ansprü-
che seines Mandanten
durch“: RA Jörg Elsner,
Vorsitzender der Arbeits-
gemeinschaft Verkehrs-
recht im Deutschen
Anwaltverein.
dass ein von rechts Kommender jeder-
zeit vorgelassen werden kann. Diese
Verpflichtung, die nach der Rechtspre-
chung ausdrücklich auch dem Schutz
des von links Kommenden dient, entfällt
nur dann, wenn die Straße nach rechts
vollkommen einsehbar ist. In allen an-
deren Fällen kommt bei einem Unfall
eine Mithaftung des Bevorrechtigten in
Betracht. Das heißt: Wenn zum Beispiel
Bäume die Sicht behindern, muss der
Vorfahrtberechtigte seinerseits Vorfahrt
gewähren.
AH:
An welchen Stellen wird sonst noch
regelmäßig die Vorfahrt missachtet?
J. Elsner:
Immer wieder kommt es im
Kreisverkehr zu Unfällen – und dort ist
es meist besonders schwierig festzustel-
len, wer im Recht ist. Oft läuft so ein Fall
auf die Einigung durch eine Quote hin-
aus, das heißt, dem Geschädigten wird
nur ein Teil seines Schadens ersetzt.
Auch Parkplätze haben Tücken, zum Bei-
spiel, wenn ein Autofahrer denkt, er hätte
Vorfahrt, und nicht damit rechnet, dass
auch von der anderen Seite jemand in die
Parklücke fahren will. Hier sollten Auto-
fahrer höchst vorsichtig sein, denn bei
einem Zusammenprall steht den Betrof-
fenen häufig nur die Hälfte des Schaden-
ersatzes zu. In vielen Fällen führt auch
die Einfahrt vom ruhenden in den fah-
renden Verkehr, beispielsweise aus einer
Parkbucht, zu Zusammenstößen.
AH:
Wie kann ein Anwalt in solchen Fäl-
len helfen?
J. Elsner:
In Haftpflichtfällen mit Quoten-
haftung aufgrund Mitverschuldens oder
der sogenannten Betriebsgefahr, die allein
vom Betrieb des Fahrzeugs ausgeht, rech-
nen viele Geschädigte den Schaden nur
mit ihrer Vollkaskoversicherung ab. Sie
übersehen, dass im Rahmen des „Quoten-
vorrechts“ weiterer Schadenersatz bei der
AUTOHAUS SCHADENRECHT
18/2015
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