AUTOHAUS SCHADENRECHT SB15-H3 - page 6

gegnerischen Haftpflichtversicherung gel-
tend gemacht werden kann. Ein Anwalt
kann mit Hilfe der Kaskoversicherung des
Geschädigten und der Haftpflichtversi-
cherung des Schädigers bis zu 100 Pro-
zent des Fahrzeugschadens für den Man-
danten herausholen.
AH:
Stichwort Abbiegen: Wo lauern da die
Gefahren?
J. Elsner:
Oft „kracht“ es beim Linksab-
biegen: Der Autofahrer muss blinken,
sich rechtzeitig auf die Abbiegespur ein-
ordnen und seine Fahrt verlangsamen.
Dabei kommt es oft zu einer Täuschung,
das heißt der Autofahrer ordnet sich
nicht links ein, fährt ausholend nach
rechts. Bei einem Unfall mit dem dann
von hinten Vorbeifahrenden trifft den
Abbieger dann immer die Alleinschuld.
AH:
Wie kommt es noch zu Auffahrunfäl-
len?
J. Elsner:
Es passieren immer wieder auf
der Autobahn Fehler beim Einfahren auf
Autobahnen. Dann gilt entgegen der
Fehlvorstellung vieler Verkehrsteilneh-
mer nicht das Reißverschlussprinzip. Wer
auf die Autobahn einfährt, muss die Vor-
fahrt des fließenden Verkehrs beachten.
Besonders bei großen Lastwagen sollte
davon ausgegangen werden, dass der tote
Winkel bis zu 4 Meter größer ist als bei
einem Kleinwagen. Große Wagen sehen
Vorbeifahrende dann oft nicht oder zu
spät und fahren in sie hinein.
Oft resultieren Auffahrunfälle auch aus
einem zu geringen Sicherheitsabstand.
Schuld trägt auch hier meist der Auffah-
rende allein. Denn: Bei einem Auffahr-
unfall geht man in der Regel davon aus,
dass dieser zu schnell war und zu wenig
Abstand zum Vordermann gehalten hat.
AH:
Es gilt also immer die Faustregel „Wer
auffährt, hat Schuld“?
J. Elsner:
Nein, Schuld hat immer derje-
nige, der vorsätzlich oder fahrlässig gegen
die Verkehrsregeln verstoßen und da-
durch den Unfall verursacht hat. So kann
die Schuld auch beim Vordermann lie-
gen, wenn er völlig unvermittelt eine
Vollbremsung macht und dadurch den
Unfall auslöst. Die Schuldfrage ist von
den Umständen des Einzelfalls abhängig.
AH:
Warum ist es generell bei einem Un-
fall sinnvoll, einen Verkehrsanwalt einzu-
schalten?
J. Elsner:
Als Laie kann man meist gar
nicht einschätzen, wer Schuld hat. Ein
Verkehrsanwalt setzt immer die Ansprü-
che seines Mandanten durch, sorgt für
eine unabhängige Feststellung des Scha-
denumfangs und für eine schnelle Scha-
denabwicklung. Oft kann man mit seiner
Hilfe auch zusätzliche Schadenersatzan-
sprüche geltend machen, vom Schmer-
zensgeld über einen Ersatz des Verdienst-
ausfalls bis zum Haushaltsführungsscha-
den.
AH:
Ihr Fazit: Was müsste passieren, um
Fehler im Straßenverkehr zu reduzieren?
J. Elsner
: Ich denke, es muss an verschie-
denen Punkten angesetzt werden. So fehlt
Anfängern zwar oft die Fahrpraxis, dafür
vergessen langjährige Autofahrer häufiger
Verkehrsregeln, oder die Vorschriften ha-
ben sich geändert, ohne dass sie es mitbe-
kommen haben. Hinzu kommen altersbe-
dingte Erscheinungen wie zum Beispiel
Sehschwäche. Ich spreche mich deshalb
für die Überprüfung der Fahrtüchtigkeit
ab einer bestimmten Altersgrenze für Au-
tofahrer aus. Damit könnte abgeklärt wer-
den, ob eine Person noch fahrtüchtig ist
und ob vielleicht die Kenntnisse der Ver-
kehrsregeln aufgefrischt werden sollten.
Das gilt aber generell: Autofahrer sollten
sich meiner Meinung nach mehr an die
Regeln halten und ihr Wissen regelmäßig
auf den neuesten Stand bringen, denn es
gibt immer wieder neue Vorschriften und
auch Sonderregeln sind oft nicht bekannt.
AH:
Vielen Dank, Herr Elsner, für dieses
Gespräch.
ArGe Verkehrsrecht
Typischer Verkehrsunfall aus Unachtsamkeit:
Schadenhöhe und exakter Schadenersatz
mussten aber mittels Sachverständigen-Gut-
achten und Verkehrsrechtsanwälten erst exakt
verifiziert und abgeklärt werden.
OFFENBARUNGSPFLICHTIGE UNFALLSCHÄDEN
Mit der Frage, wann Beschädigungen am Blech als offenbarungspflichtige Unfallschäden zu wer-
ten sind, hat sich das Landgericht Bochum in seiner Entscheidung vom 6.2.2015 (Az.: I-2 O 209/14)
auseinandergesetzt.
Der Kläger erwarb von dem Beklagten privat einen gebrauchten Pkw. In dem Kaufvertrag wurde
vermerkt:„Das Auto ist unfallfrei“. Bei einer durch den Kläger veranlassten Begutachtung wurden
Lackschichtdichte-Unterschiede festgestellt. Zudem sind Teile des Fahrzeuges gespachtelt wor-
den. Der Beklagte trug vor, an dem Fahrzeug habe ein Vandalismusschaden vorgelegen, mit Krat-
zern, die recht tief ins Blech hineingingen. Diese habe er beseitigen lassen. Das Landgericht Bo-
chum urteilte, dass derartige Vandalismusschäden als Unfall im Sinne einer plötzlich von außen
auf das Fahrzeug einwirkenden mechanischen Gewalt zu werten sind.
Im Jahr 2009 hatte der BGH demgegenüber entschieden, dass Kratzschäden an der äußeren Hülle
keine Unfallschäden darstellten, da nicht mit verdeckten Folgeschäden zu rechnen sei. (BGH VIII
ZR 191/07; Urteil vom 20.05.2009)
Im vorliegenden Fall sei es jedoch nicht um reine Kratzschäden gegangen, vielmehr hatten die
Beschädigungen auf Grund der Spachtelarbeiten den Charakter von Blechschäden und waren
folglich offenbarungspflichtig, so das LG Bochum.
Bei der Aufbereitung von Pkw vor einem Verkauf sollte deshalb über vorgenommene (Bei-)Spach-
telarbeiten aufgeklärt werden, um einen Streit über die Unfallfreiheit zu vermeiden. In rechtlicher
Hinsicht muss in solch einem Fall keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt werden, da diese gemäß
§ 275 BGB unmöglich ist. Ein sofortiger Rücktritt vom Kaufvertrag ist möglich. RA Andrea Czekal-
ski, Thomas Blatt Rechtsanwaltsaktiengesellschaft, Dinslaken
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