Table of Contents Table of Contents
Previous Page  4 / 6 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 4 / 6 Next Page
Page Background

BGH vom 30.11.1999 (Az. VI ZR 219/98

= NJW 2000, 800). Daraus herzuleiten –

wie es das OLG Köln tat –, dass der Ge­

schädigte dem Versicherer aktiv die Gele­

genheit zum Überbieten geben müsse,

zeugt von völliger Unkenntnis des Ge­

samtzusammenhanges der BGH-Recht­

sprechung zum Restwert.

Entgegen der Auffassung des OLG

Köln besteht gerade keine Pflicht des Ge­

schädigten, den Haftpflichtversicherer

über den beabsichtigten Verkauf des Un­

fallfahrzeuges zu informieren und ihm so

die Gelegenheit zu geben, weitere Ange­

bote einzuholen. Ein solches Vorgehen

würde die Ersetzungsbefugnis gemäß

§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB unterlaufen und

demGeschädigten das Recht nehmen, die

Schadensangelegenheit in eigener Regie

mit Rücksicht auf die individuellen Gege­

benheiten abzuwickeln (vgl. BGH Urteile

vom 23.11.2010, Az.: VI ZR 35/10 und

12.07.2005 Az.: VI ZR 132/04).

Der Geschädigte ist stets der Herr des

Restitutionsgeschehens und kann infolge­

dessen nicht nur entscheiden, ob das

Fahrzeug verkauft werden soll, sondern

auch wann und an wen dies geschehen

soll. Bei der Schadensbehebung dürfen

ihm daher nicht die von der Versicherung

gewünschten Verwertungsmodalitäten

aufgedrängt werden. Gehen dem Geschä­

digten die Restwertangebote des Versiche­

rers erst nach dem Verkauf des Pkw zu,

sind diese aufgrund des verspäteten Zu­

ganges unbeachtlich. Das AG Kaisers­

lautern entschied mit Urteil vom 24. Juni

2014 (Az.: 12 C 1759/13), dass der Ge­

schädigte nicht gegen das Wirtschaftlich­

keitsgebot verstoße, wenn er sich auf die

von dem Sachverständigen ermittelten

Werte beim Verkauf des Fahrzeuges ver­

lasse und sein Fahrzeug auch zugleich auf

der Grundlage dieser Werte verkaufe. Ein

Restwertangebot der Versicherung abwar­

ten müsse der Geschädigte jedenfalls

nicht.

Pflicht ist alleine die zügige

Abwicklung

In diesem Zusammenhang ist zu berück­

sichtigen, dass der Geschädigte zudem

verpflichtet ist, aufgrund eventuell dro­

hender Verzögerungsschäden in Gestalt

von Nutzungsausfallentschädigung, Miet­

wagenkosten oder Zinsen, den Unfall

zügig abzuwickeln. Kommt er dem durch

einen baldigen Verkauf des unfallbeschä­

digten Pkw nach, kann ihm dies imNach­

hinein nicht zum Nachteil gereichen.

Sofern das OLG Köln in seinem Hin­

weisbeschluss vom 16. Juli 2012 (Az.: 13

O 80/12) davon ausgeht, dass ein Verstoß

gegen die Schadensminderungspflicht

darin liege, dass ein Verkauf des Unfall­

wagens vor der Übersendung des Sachver­

ständigengutachtens an die eintrittspflich­

tige Haftpflichtversicherung erfolgt sei

und dem Versicherer so die Möglichkeit

genommen werde, dem Geschädigten ein

besseres Angebot zu unterbreiten, vermag

dies nicht zu überzeugen. Denn diese

Sichtweise würde dazu führen, dass der

Geschädigte erst nach Abstimmung mit

und Freigabe durch die gegnerische Ver­

sicherung sein Fahrzeug verkaufen dürfe.

Dies steht im klaren Widerspruch sowohl

zu § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als auch zu der

Rechtsprechung des BGH.

Zwar ist der Geschädigte gehalten,

wenn ihm vor der tatsächlichen Veräuße­

rung ein akzeptables alternatives Angebot

durch die regulierende Versicherung be­

kannt wird, auf dieses einzugehen. Jedoch

führt diese Verpflichtung, entgegen der

Auffassung des OLG Köln, gerade nicht

dazu, dass der Geschädigte die Versiche­

rung vor der beabsichtigten Weiterver­

äußerung informieren muss. Eine solche

Verbindlichkeit würde dazu führen, dass

der Geschädigte seine Position als Herr

des Restitutionsgeschehens verlieren wür­

de und die Schadenbehebung nicht mehr

in eigener Regie und – ohne den Vorgaben

des Schädigers Folge leisten zu müssen –

durchführen könnte (vgl. AG Biberach

Urteil vom 22.02.2013, Az.: 7 C 1102/12).

Angebotsankündigung reicht nicht

Die Stellung des Geschädigten darf auch

nicht dadurch unterlaufen werden, dass

die haftende Versicherung den Zugang

eines Restwertangebotes ankündigt, um

diesen so zur Aufgabe der ihm zustehen­

den Befugnis und zumAbwarten zu zwin­

gen (vgl. KGBerlin, Urteil vom06.08.2015,

Az.: 22 U 6/15). Mit Entscheidung vom

06.08.2015 (Az.: 22 U 6/15) hob das KG

Berlin ein zuvor ergangenes Urteil des LG

Berlin vom 11.12.2014 (Az.: 43 O 94/14)

vor dem Hintergrund auf, dass der Ge­

schädigte nicht verpflichtet war, abzuwar­

ten, ob die eintrittspflichtige Versicherung

bessere Restwertangebote einholt. Weiter­

hin betonte das KG Berlin, dass der Ge­

schädigte sich nicht an außerhalb des all­

gemeinen regionalen Marktes ermittelten

Restwertangeboten festhalten lassen müs­

se. Zuvor hat auch das LG Düsseldorf mit

Anerkenntnisurteil vom 29.09.2014 (Az.:

20 S 39/14) unter Abänderung des Urteils

des AG Neuss vom 13.03.2014 (Az.: 85 C

4702/13) entschieden, dass Restwertange­

bote der Versicherer weder abzuwarten

sind, noch dass das Sachverständigengut­

achten zur Prüfung vor Verkauf des Un­

fallwagens an die Versicherung übersandt

werden muss.

Einheitliche Rechtsprechung

Diese zutreffende Ansicht wird in den ak­

tuellen Urteilen folgender Gerichte bestä­

tigt: AG Michelstadt (Urteil v. 06.07.2015,

Az.: 1 C 209/14 {02}), AG Leverkusen

(Urteil v. 28.04.2015, Az.: 24 C 401/14),

LG Itzehoe (Urteil v. 22.01.2015, Az.:

10 O 87/14), AG Rheinbeck (Urteil v.

08.01.2015, Az.: 12 C 591/14), AG Ham­

burg-Wandsbek (Urteil v. 02.12.2014, Az.:

716 b C 151/14), AG Primasens (Urteil v.

07.11.2014, Az.: 2 C 111/14), AG Heiden­

heim (Ur teil v. 06.10.2014, Az.:

4 C 1030/14), AG Kaiserslautern (Urteil v.

27.06.2014, Az.: 12 C 1759/13), AG Kulm­

bach (Ur tei l v. 08.05.2014, Az.:

70 C 678/13), LG Wiesbaden (Urteil v.

03.05.2013, Az.: 2 O 102/11) und LGBerlin

(Urteil v. 25.02.2013, Az.: 42 S 183/14).

Fazit

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass

der Geschädigte aufgrund seiner in der

ständigen Rechtsprechung anerkannten

Stellung als Herr des Restitutionsgesche­

hens grundsätzlich entscheiden darf, ob, an

wen und wann er sein Unfallfahrzeug ver­

kaufen möchte. Restwertangebote der re­

gulierenden Versicherungen sind allenfalls

in sehr engen Grenzen beachtenswert und

dürfen nicht die Position des Geschädigten

untergraben.

RA Karoline Guzy

RA KAROLINE GUZY

Karoline Guzy ist Fach­

anwältin für Verkehrs­

recht und bei arr Rechts­

anwälte in Düsseldorf

schwerpunktmäßig auf

diesem Gebiet tätig.

Darüber hinaus hat sie

die Leitung des Scha­

denmanagements in

der Kanzlei inne.

58

5/2016

AUTOHAUS SCHADENRECHT