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BGH - URTE I L

Grenzen einer

„neuen HU“

Fotos: W. K. Pfauntsch

Der Bundesgerichtshofs (BGH) hat in seinem Urteil vom 15.04.2015,

Az.: BGH VIII ZR 80/14, eine Entscheidung getroffen, welche für den

Gebrauchtwagenhandel von besonderer Bedeutung ist.

Mannes und dessen positive Inspektion

kam es nicht an.

GW-Verkäufer im Konflikt

Der redliche Verkäufer befindet sich nun

in einer Zwickmühle. Grundsätzlich –

und dies wurde in derselben Entscheidung

durch den Bundesgerichtshof ebenfalls

festgestellt – trifft den Gebrauchtwagen-

händler keine generelle, anlassunabhängi-

ge Obliegenheit, das Fahrzeug vor dem

Verkauf umfassend zu untersuchen. Viel-

mehr sind hierfür besondere Umstände

des Einzelfalls maßgeblich, welche einen

konkreten Verdacht auf Mängel begrün-

den. Dem gegenüber geht der Gesetzgeber

jedoch davon aus, dass ein anerkannter

Prüfer des TÜV den verkehrssicheren Zu-

stand eines Fahrzeugs ordnungsgemäß

bejaht oder verneint.

Unter Abwägung der Verpflichtungen

des Händlers sowie des Verbraucherschut-

zes verlangt der Bundesgerichtshof jedoch

auch in solchen Fällen eine Sichtprüfung.

Dazu, wie tiefgründig diese zu sein hat,

äußert sich der BGH in der betreffenden

Entscheidung nicht, da die Mängel derart

gravierend waren, dass eine einfache

Sichtprüfung bereits ausgereicht hätte,

diese zu entdecken.

Bei geringeren Mängeln hätte wohl ein

Recht, aber auch eine Verpflichtung zur

Nacherfüllung bestanden. Nimmt man

diese nicht vor, so besteht in der Folge ein

Recht zur Rückabwicklung des Kaufver-

trages bei erheblichen Mängeln. Hierbei

ist die Bedeutung des Wortes „erheblich“

erneut am Einzelfall zu beurteilen. Man

kann jedoch bei Nachbesserungskosten

i.H.v. ca. 5 % des Kaufpreises von einem

zum Rücktritt berechtigenden, erhebli-

chen Mangel sprechen.

RA Michael Hoffend-von-Knobloch, Ratingen

I

m gegenständlichen Fall stellt sich der

Sachverhalt wie folgt dar: Eine Frau

kaufte von einem Autohändler ein

gebrauchtes Fahrzeug. In dem Kaufver-

trag befindet sich der Eintrag „HU neu“.

Am Tag des Kaufs hatte der Technische

Überwachungsverein (TÜV) die Haupt-

untersuchung durchgeführt und das Fahr-

zeug beanstandungsfrei mit einer TÜV-

Plakette versehen. Am nächsten Tag fuhr

die Käuferin eine längere Strecke. Auf

dieser versagte der Motor des Fahrzeugs

mehrfach. Eine folgende Untersuchung

ergab, dass u. a. starke Korrosion an

Bremsleitungen, Querlenkern und sämt-

lichen Zuleitungen des Motors vorlag. Der

Zustand des Fahrzeugs rechtfertigte daher

keine Erteilung der TÜV-Plakette. Die

Käuferin erklärte den Rücktritt vomKauf-

vertrag.

Mängel, die de facto nicht

sein dürfen

Der Bundesgerichtshof gab der Klage statt

und erkannte einen Mangel des Fahr-

zeugs.

Unter „HU neu“ sei eine stillschwei-

gende Vereinbarung zu sehen, dass das

verkaufte Fahrzeug zum Zeitpunkt der

Übergabe in einem für die Hauptunter­

suchung nach § 29 StVZO geeigneten Zu-

stand zu sein hat. Ist dies nicht der Fall, ist

das Fahrzeug mangelbehaftet. In der An-

gabe „HU neu“ liegt daher nicht nur eine

unverbindliche Fahrzeugbezeichnung.

Sozusagen muss also das drin sein, was

draufsteht. Dies erscheint nachvollzieh­

bar.

In dem betreffenden Fall hatte die

Käuferin sogar das Recht, ohne vorherige

Fristsetzung zur Nacherfüllung zurückzu-

treten. Hierbei wird es jedoch, wie so häu-

fig, auf den jeweiligen Einzelfall ankom-

men. Bei der gegenständlichen Entschei-

dung hatte das Fahrzeug massive Mängel,

welche bereits bei einer ordnungsgemä-

ßen Sichtprüfung ohne weiteres erkenn-

bar gewesen wären. Darüber hinaus zeig-

ten sich die Mängel auch an sicherheits­

relevanten Bauteilen. Aufgrund dessen

war der Käuferin eine Nacherfüllung nicht

mehr zuzumuten. Auf die Rolle des TÜV-

KURZFASSUNG

Der Vermerk„HU neu“ in einem Kaufvertrag

stellt eine stillschweigende Vereinbarung

über den verkehrssicheren Zustand eines

Gebrauchtfahrzeuges dar. Bei trotzdem

vorliegenden, offensichtlichen Mängeln

kann es zur Rückabwicklung des Kaufes

ohne Recht auf Nachbesserung kommen.

Gleich klebt die frische

Plakette. Ab dann

dürfen keine offen-

sichtlichen Mängel

mehr vorhanden sein.

10/2016

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AUTOHAUS SCHADENRECHT