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Frage:
Darf der Sachverständige eines zu
begutachtenden Haftpflichtschadens auch
Mitarbeiter des reparierenden Autohauses
sein?
Martin Ellinger:
In Deutschland gibt es
kein gesetzlich geregeltes Berufsbild des
„Sachverständigen“. Die Rechtsprechung
lässt es ausreichen, wenn der Sachver-
ständige über eine Ausbildung verfügt,
die zur Leitung einer Kfz-Reparaturwerk-
statt befähigt, also in der Regel die Meis-
terprüfung oder ein vergleichbarer Ab-
schluss, z. B. als Diplom-Ingenieur. Es ist
daher denkbar, dass ein Sachverständiger
Mitarbeiter des den Unfallschaden repa-
rierenden Autohauses ist. Dies kann je-
doch für die Erstattung der Vergütung
des Sachverständigen durch den Schädi-
ger oder dessen Haftpflichtversicherer
problematisch werden. Die Kosten eines
beauftragten Sachverständigengutachters
gehören gemäß § 249 BGB grundsätzlich
zum erstattungsfähigen Schaden. Wurde
ein Gutachten aber von einer Person er-
stattet, die mittelbar eigenes Interesse an
der Schadensermittlung und Schadens-
schätzung hat, weil sie die spätere Repa-
ratur selbst vornimmt, so bestehen Be-
denken an der Unabhängigkeit und
Unparteilichkeit des Gutachters, weshalb
ein solches Gutachten als Grundlage
der Schadensregulierung ungeeignet
erscheint. In solchen Fällen wird nicht zu
erwarten sein, dass die gegnerische Haft-
pflichtversicherung das Gutachten ohne
weiteres akzeptiert. Bei derartigen Kon
stellationen haben Gerichte bereits bestä-
tigt, dass die Kosten des Sachverständigen
nicht vom Geschädigten oder dessen
Haftpflichtversicherer zu tragen sind (AG
Nürnberg Urteil vom 31.8.2006 - 31 C
3391/06; LG Mönchengladbach, SVR
3/2006, S. VII (Sachverständiger zugleich
Werkstattinhaber); AG St. Wendel, NZV
1998, NZV 1998 Seite 75; AG Köln, Urt.
v. 27.10.1994 - 265 C 344/93; AG Neu-
stadt, Urt. v. 29.5.2006 -1 C 0255/06).
Etwas anderes gilt nach Auffassung des
LG Regensburg (DS 2007, 358) für den
Fall, dass zwischen Sachverständigenbüro
und Werkstatt eine betriebliche Trennung
erfolgt. Angesichts dieser uneinheitlichen
Rechtsprechung ist hier Vorsicht geboten.
RA Martin Ellinger, Stuttgart
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In dieser Rubrik stellen Leser Fragen zur Unfallschadenabwicklung
an die Verkehrsanwälte des Deutschen Anwalt Vereins (DAV).
NEUTRAL I TÄT DES SACHVERSTÄND I GEN
Autohäuser fragen und
Rechtsanwälte antworten
+++VERKEHRSRECHTS-
TICKER+++
Nicht nur auf Blinker verlassen
Wenn ein Verkehrsteilnehmer warten
muss, um sich auf die Hauptstraße ein-
zufädeln, dann darf er sich nicht allein auf
das Blinklicht eines vorfahrtberechtigten
Fahrzeuges verlassen. Esmussmindestens
ein weiteres deutliches Zeichen dafür ge-
ben, dass der Vorfahrtberechtigte tat-
sächlich vor dem Wartepflichtigen ab-
biegt. Das entschied das Oberlandes-
gericht Dresden am 20. August 2014 (AZ:
7U1876/13), wiedieArbeitsgemeinschaft
Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltver-
eins (DAV) berichtet.
Ein vorfahrtsberechtigter Autofahrer hat-
te durch Blinken angezeigt, dass er abbie-
gen wollte, war dann jedoch weiter gera-
deaus gefahren. Ein wartepflichtiger Au-
tofahrer hatte auf das Blinken vertraut und
war auf die Vorfahrtsstraße eingebogen.
BeimEinbiegen stieß er mit demblinken-
den Fahrzeug zusammen.
Das Gericht hatte zu entscheiden, welcher
Fahrer welcheVerantwortung für denUn-
fall trägt. Die Richter sahen eineHaftungs-
quote von 70 : 30 Prozent als angemessen
an: Die Hauptverantwortung trage der
Fahrer, der die Vorfahrt missachtet habe.
Den anderen Fahrer treffe allerdings durch
sein missverständliches Verhalten eine
Mitverantwortung.
Der Wartepflichtigedürfenur danndarauf
vertrauen, dass das andere Fahrzeug tat-
sächlich abbiege, wenn über das bloße
Betätigen des Blinkers hinaus noch wei-
tere Handlungen dafür sprächen. Das
könnte zumBeispiel das eindeutige Dros-
seln der Geschwindigkeit oder der Beginn
des Abbiegemanövers sein. Nach Ansicht
der Richter ist neben demBlinken zumin-
dest ein weiteres deutliches Anzeichen
erforderlich. ImvorliegendenFall habeder
vorfahrtsberechtigte Fahrer nicht nur
geblinkt, sondern auch die Geschwindig-
keit deutlich reduziert. Daher trage er eine
Mitverantwortung, die zu der Haftungs-
quote 70 : 30 führe.
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5/2015
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