AUTOHAUS SCHADENRECHT SB15-H1 - page 4

VERKEHRSMYTHEN
Irren ist menschlich
Foto: Fotolia/fotomek
Wie viele Irrtümer sich in den Köpfen deutscher Verkehrsteilnehmer
festgesetzt haben, zeigte im Oktober 2014 eine Umfrage der Arbeits-
gemeinschaft Verkehrsrecht des DAV (Deutscher Anwaltverein) e. V.
1:
Muss jeder Fahrer, der mit Alkohol im
Blut erwischt wird, seinen Führerschein
für ein Jahr abgeben?
AG Verkehrsrecht:
Richtig ist, dass ein
­alkoholisierter Autofahrer den Führer-
schein verlieren kann – unter Umständen
auch für ein Jahr. Beim Strafmaß kommt
es zunächst auf den Alkoholgehalt im
Blut an: Wer 1,1 Promille hat, ist absolut
fahrunfähig und begeht eine Straftat,
wenn er sich trotzdem hinter das Steuer
setzt. Das Gericht entscheidet von Fall zu
Fall, ob der Betroffene seine Fahrerlaub-
nis ganz oder begrenzt für bis zu zwölf
Monate abgeben muss. Ab 0,5 Promille
liegt zumindest ein Bußgeldtatbestand
vor, der in der Regel zu einem Fahrverbot
von bis zu drei Monaten führt. Aber auch
schon ab 0,3 Promille kann man den
Führerschein verlieren, wenn eine soge-
nannte relative Fahruntüchtigkeit vor-
liegt. Fazit: Ob und für welchen Zeitraum
ein alkoholisierter Autofahrer nicht fah-
ren darf, kommt auf den konkreten Ein-
zelfall an. Eine Rolle spielt zum Beispiel,
ob der Betroffene erstmals auffällig ge-
worden ist und wie das Gericht den Cha-
rakter des Betroffenen einschätzt. Bei der
Verhandlung kann ein Verkehrsanwalt
sowohl im Hinblick auf die Dauer des
Führerscheinverlustes als auch auf die
dies eine Nötigung darstellen. Dann dro-
hen neben einer erheblichen Geldstrafe
auch ein Fahrverbot und Punkte in
Flensburg.
5:
Stimmt es, dass ein vorhandener
Radweg benutzt werden muss?
AG Verkehrsrecht:
Das ist nicht korrekt.
Wenn ein Radweg da ist, hat der Radfah-
rer grundsätzlich ein Wahlrecht, ob er
diesen oder lieber die äußere rechte Seite
der Fahrbahn nutzen möchte. Lediglich
dort, wo entsprechende Schilder aus-
drücklich darauf hinweisen, ist der
Radweg benutzungspflichtig.
6:
Ein Bußgeld ab 60 Euro bedeutet
mindestens einen Punkt in Flensburg,
stimmt’s?
AG Verkehrsrecht:
Nicht ganz. Bußgeld-
tatbestände, die mit einer Geldbuße von
60 Euro und mehr geahndet werden, füh-
ren nur dann zu einem Punkt in Flens-
burg, wenn sie in einer besonderen Liste*
stehen. Ist der Verstoß nicht darin enthal-
ten, hat auch ein Bußgeld von mehr als
60 Euro keine Punkte zur Folge. Doch
auch wenn der Tatbestand in der Liste
steht, besteht noch die Möglichkeit, keine
Punkte zu kassieren: Der Betroffene und
KURZFASSUNG
Jeder Autofahrer hat irgendwann seinen
Führerschein gemacht. Dennoch wissen
zahlreiche Verkehrsteilnehmer nicht genau
über Recht und Unrecht im Straßenverkehr
Bescheid. Die Anwälte der Arbeitsgemein-
schaft Verkehrsrecht decken dazu zehn
weit verbreitete Mythen auf und erläutern
die entsprechenden Hintergründe.
Höhe der Geldstrafe und drohender
Punkte in Flensburg einiges bewirken.
2:
Beim Auffahren auf die Autobahn gilt
das Reißverschlusssystem, richtig?
AG Verkehrsrecht:
Nein, laut Straßenver-
kehrsordnung hat auf Autobahnen und
Kraftfahrstraßen der Verkehr auf der
durchgehenden Fahrbahn Vorfahrt. Der
einfahrende Verkehr ist somit warte-
pflichtig und darf sich nur so einordnen,
dass er den durchgehenden Verkehr nicht
behindert. Bei etwaigen Unfällen des
Auffahrenden haftet dieser grundsätzlich
allein für den Schaden.
3:
Ist es Nötigung, auf der Autobahn
die Lichthupe zu betätigen?
AG Verkehrsrecht:
Nein, wer mit der
Lichthupe einen langsameren Fahrer auf
sich aufmerksam macht, um seine Über-
holabsichten anzukündigen, handelt kor-
rekt. Gemäß Straßenverkehrsordnung ist
es ausdrücklich vorgesehen, das Überho-
len außerhalb geschlossener Ortschaften
durch kurze Schall- oder Leuchtzeichen
anzuzeigen. Die Lichthupe erfüllt hier
eine Warnfunktion. Eine Nötigung be-
geht jedoch, wer gleichzeitig zu dicht auf-
fährt und/oder permanent durch den
Einsatz der Lichthupe erreichen möchte,
dass der Vordermann die Bahn freigibt.
4:
Aber es ist mein gutes Recht,
Raser auszubremsen, oder?
AG Verkehrsrecht:
Auch das ist ein Irr-
tum. Raser oder Drängler zu verfolgen
ist Aufgabe der Polizei und Staatsanwalt-
schaft. Einen Raser auszubremsen gilt als
Selbstjustiz und wird strafrechtlich ge-
ahndet. Abhängig vom Abstand des Ra-
sers, den gefahrenen Geschwindigkeiten
und der Stärke des Abbremsens kann
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