klemmt. In der Regel mache es keine Freu
de, von kleinen Reststreitwerten leben zu
müssen. Als weiteren Vorteil zugunsten
der Werkstatt wurde das Sachverständi
gengutachten im Vergleich zum Kosten
voranschlag gesehen. Das SV-Gutachten,
nach dessen Vorgaben die Werkstatt repa
riert, erlaube keine Abzüge, so dass eine
Forderung, die damit belegt wird, ohne
Weiteres durchgesetzt werden könne.
Otting verwies ferner darauf, dass die
Zusammenarbeit zwischen Werkstatt,
Sachverständigem und Fachanwalt für
Verkehrsrecht im Interesse des Geschä
digten zu einer Win-Win-Situation für
alle Beteiligten führen muss.
„Brauchen das 100-Prozent-SV-
Gutachten“
Danach referierte Dipl.-Ing. Thomas Fir
mery, Leiter des Sachverständigenwesens
der KÜS, zum Thema „Das 100-Prozent-
Gutachten des qualifizierten Kfz-Sachver
ständigen in der Unfallschadenabwick
lung“. Er zählte die Mindestbestandteile
eines Beweissicherungsgutachtens auf und
erklärte den Unterschied zum Kostenvor
anschlag. Solche Mindestbestandteile
eines Gutachtens sind etwa die Auswei
sung des Wiederbeschaffungswertes in
unterschiedlichen Steuermodellen (regel
besteuert, differenzbesteuert, steuerneu
tral). Ebenso weise das Gutachten den
Restwert des Fahrzeugs aus – sowohl auf
dem regionalen Markt als auch in der
Restwertbörse. Schließlich sind, so Firme
ry, dem Gutachten die Stundenverrech
nungssätze der Werkstatt, gegebenenfalls
auch der markengebundenen Werkstatt,
zu entnehmen. Das Gutachten weise die
Wertminderung aus, wobei Methoden wie
Ruhkopf-Sahm und Halbgewachs über
holt seien, ebenso wie früher verbindliche
Zeiten und Laufleistungen (5 Jahre,
100.000 km). Firmery sprach sich für die
Methode BVSK aus. Das Gutachten habe
UPE- und Verbringungskosten zu benen
nen, ebenso wie die Wiederbeschaffungs
dauer eines Ersatzfahrzeuges. Wertverbes
serungen und „neu für alt“-Überlegungen
seien anzustellen.
Volles Werkstatt-Prognoserisiko
beim Kostenvoranschlag
Darüber hinaus seien Fahrzeug und Scha
den so zu beschreiben, dass der Geschä
digte – und später auch ein Richter – Zu
sammenhänge verstehen könne. All das
leiste nur der Sachverständige. Dieser
habe zudem eine Einstufung vorzuneh
men, ob das Fahrzeug repariert werden
könne, als Totalschaden zu sehen oder
eine Opfergrenze von 130 Prozent in Er
wägung zu ziehen sei. Als wichtig stellte
Firmery den Rechtsgedanken heraus, dass
das Prognoserisiko beim Schädiger und
nicht bei dem Geschädigten liege. Dem
gegenüber stellte er dar, dass der Kosten
voranschlag für die Werkstatt bindend sei,
ohne Beispiel die Versicherungsprämien
für Kfz-Haftpflicht- und Kaskoverträge
reduzierten. Eine weitere Schieflage ge
genüber früheren Jahren entstehe durch
die heute unzureichende Verzinsung des
eingenommenen Geldes. So bleibe ledig
lich noch die Möglichkeit, berechtigte
Ansprüche Geschädigter zu kürzen oder
zu verweigern. In der Regulierungspraxis
werde dieses Verweigerungsverhalten oft
mals toleriert. „Wenn der Versicherungs
beamte die Situation so bewertet, wird
schon was dran sein“, denke der Durch
schnittsgeschädigte.
„Es muss Waffengleichheit
herrschen“
Dass das zu Lasten derer geht, die den
Schaden mit ihrer Hände Arbeit beheben
müssen, ist dem Geschädigten nach Da
fürhalten Ottings nicht unbedingt geläu
fig. Er zeigte auf, dass eine Rechnungskür
zung um 100 Euro deshalb hingenommen
wird, weil es als wenig erscheint. Bedenke
man aber, dass aus dem Verkauf eines
Neuwagens möglicherweise nur 250 Euro
Gewinn erzielt werden, so wäre diese Kür
zung für die Werkstatt durchaus erheb
lich. Die Rechtsprechung sei deshalb einig
darin, dass der Geschädigte auch für ein
fache Fälle einen Anwalt an die Seite ge
stellt bekommen muss, um „Waffengleich
heit zwischen dem Versicherer und dem
Geschädigten“ herzustellen. Waffengleich
heit entstehe allerdings auch nur dann,
wenn der Fachanwalt für Verkehrsrecht
tätig werden kann.
Otting widersprach einem Geschädig
tenvorschlag, den Anwalt nur dann ein
zusetzen, wenn es schwierig wird oder
»
Das SV-Gutachten
erlaubt die Durchsetzung
einer Forderung.
«
RA Joachim Otting,
rechtundraeder.de
»
Geschädigter und Richter
müssen Zusammenhänge
verstehen können.
«
Dipl.-Ing. Thomas Firmery ,
Leiter SV-Wesen KÜS e.V.
Michael Schunck, Verkaufsleiter Pkw-NW
und AMG Sales Manager der Mercedes-Benz
Niederlassung Köln, begrüßte Referenten und
Teilnehmer als Gastgeber in Köln.
„Nur wenn der Geschädigte einen Fachanwalt
einschaltet, hat er auchWaffengleichheit zu
den Versicherern geschaffen“: RA Joachim
Otting fand wie immer klareWorte.
SCHADEN-BUSINESS
23-24/2015
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