AUTOHAUS SCHADENRECHT SB15-H4 - page 11

klemmt. In der Regel mache es keine Freu­
de, von kleinen Reststreitwerten leben zu
müssen. Als weiteren Vorteil zugunsten
der Werkstatt wurde das Sachverständi­
gengutachten im Vergleich zum Kosten­
voranschlag gesehen. Das SV-Gutachten,
nach dessen Vorgaben die Werkstatt repa­
riert, erlaube keine Abzüge, so dass eine
Forderung, die damit belegt wird, ohne
Weiteres durchgesetzt werden könne.
­Otting verwies ferner darauf, dass die
­Zusammenarbeit zwischen Werkstatt,
Sachverständigem und Fachanwalt für
Verkehrsrecht im Interesse des Geschä­
digten zu einer Win-Win-Situation für
alle Beteiligten führen muss.
„Brauchen das 100-Prozent-SV-
Gutachten“
Danach referierte Dipl.-Ing. Thomas Fir­
mery, Leiter des Sachverständigenwesens
der KÜS, zum Thema „Das 100-Prozent-
Gutachten des qualifizierten Kfz-Sachver­
ständigen in der Unfallschadenabwick­
lung“. Er zählte die Mindestbestandteile
eines Beweissicherungsgutachtens auf und
erklärte den Unterschied zum Kostenvor­
anschlag. Solche Mindestbestandteile
­eines Gutachtens sind etwa die Auswei­
sung des Wiederbeschaffungswertes in
unterschiedlichen Steuermodellen (regel­
besteuert, differenzbesteuert, steuerneu­
tral). Ebenso weise das Gutachten den
Restwert des Fahrzeugs aus – sowohl auf
dem regionalen Markt als auch in der
Restwertbörse. Schließlich sind, so Firme­
ry, dem Gutachten die Stundenverrech­
nungssätze der Werkstatt, gegebenenfalls
auch der markengebundenen Werkstatt,
zu entnehmen. Das Gutachten weise die
Wertminderung aus, wobei Methoden wie
Ruhkopf-Sahm und Halbgewachs über­
holt seien, ebenso wie früher verbindliche
Zeiten und Laufleistungen (5 Jahre,
100.000 km). Firmery sprach sich für die
Methode BVSK aus. Das Gutachten habe
UPE- und Verbringungskosten zu benen­
nen, ebenso wie die Wiederbeschaffungs­
dauer eines Ersatzfahrzeuges. Wertverbes­
serungen und „neu für alt“-Überlegungen
seien anzustellen.
Volles Werkstatt-Prognoserisiko
beim Kostenvoranschlag
Darüber hinaus seien Fahrzeug und Scha­
den so zu beschreiben, dass der Geschä­
digte – und später auch ein Richter – Zu­
sammenhänge verstehen könne. All das
leiste nur der Sachverständige. Dieser
habe zudem eine Einstufung vorzuneh­
men, ob das Fahrzeug repariert werden
könne, als Totalschaden zu sehen oder
eine Opfergrenze von 130 Prozent in Er­
wägung zu ziehen sei. Als wichtig stellte
Firmery den Rechtsgedanken heraus, dass
das Prognoserisiko beim Schädiger und
nicht bei dem Geschädigten liege. Dem­
gegenüber stellte er dar, dass der Kosten­
voranschlag für die Werkstatt bindend sei,
ohne Beispiel die Versicherungsprämien
für Kfz-Haftpflicht- und Kaskoverträge
reduzierten. Eine weitere Schieflage ge­
genüber früheren Jahren entstehe durch
die heute unzureichende Verzinsung des
eingenommenen Geldes. So bleibe ledig­
lich noch die Möglichkeit, berechtigte
Ansprüche Geschädigter zu kürzen oder
zu verweigern. In der Regulierungspraxis
werde dieses Verweigerungsverhalten oft­
mals toleriert. „Wenn der Versicherungs­
beamte die Situation so bewertet, wird
schon was dran sein“, denke der Durch­
schnittsgeschädigte.
„Es muss Waffengleichheit
herrschen“
Dass das zu Lasten derer geht, die den
Schaden mit ihrer Hände Arbeit beheben
müssen, ist dem Geschädigten nach Da­
fürhalten Ottings nicht unbedingt geläu­
fig. Er zeigte auf, dass eine Rechnungskür­
zung um 100 Euro deshalb hingenommen
wird, weil es als wenig erscheint. Bedenke
man aber, dass aus dem Verkauf eines
Neuwagens möglicherweise nur 250 Euro
Gewinn erzielt werden, so wäre diese Kür­
zung für die Werkstatt durchaus erheb­
lich. Die Rechtsprechung sei deshalb einig
darin, dass der Geschädigte auch für ein­
fache Fälle einen Anwalt an die Seite ge­
stellt bekommen muss, um „Waffengleich­
heit zwischen dem Versicherer und dem
Geschädigten“ herzustellen. Waffengleich­
heit entstehe allerdings auch nur dann,
wenn der Fachanwalt für Verkehrsrecht
tätig werden kann.
Otting widersprach einem Geschädig­
tenvorschlag, den Anwalt nur dann ein­
zusetzen, wenn es schwierig wird oder
»
Das SV-Gutachten
erlaubt die Durchsetzung
einer Forderung.
«
RA Joachim Otting,
rechtundraeder.de
»
Geschädigter und Richter
müssen Zusammenhänge
verstehen können.
«
Dipl.-Ing. Thomas Firmery ,
Leiter SV-Wesen KÜS e.V.
Michael Schunck, Verkaufsleiter Pkw-NW
und AMG Sales Manager der Mercedes-Benz
­Niederlassung Köln, begrüßte Referenten und
Teilnehmer als Gastgeber in Köln.
„Nur wenn der Geschädigte einen Fachanwalt
einschaltet, hat er auchWaffengleichheit zu
den Versicherern geschaffen“: RA Joachim
­Otting fand wie immer klareWorte.
SCHADEN-BUSINESS
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