AUTOHAUS SCHADENRECHT SB15-H4 - page 4

Fahrzeug, nahezu unabhängig von an­de­
renBedingungen (abgesehen von bestimm­
ten Einschränkungen bei Fahrlässigkeit
und Vorsatz des Versicherungsnehmers).
Die Vorfinanzierung einer Reparatur mit­
hilfe der Vollkaskoversicherung ist also
grundsätzlich denkbar einfach.
Da die Inanspruchnahme der Vollkas­
koversicherung in mehrfacher Hinsicht
Auswirkungen auf die Schadenregulie­
rung mit dem Schädiger – respektive
­seiner Versicherung – hat, gilt es hier al­
lerdings, von Anfang an umsichtig zu han­
deln.
Um ein Idealbild der Regulierung zu
zeigen, müssen zunächst die Rechtsfolgen
der Regulierung über die Vollkaskover­
sicherung aufgezeigt werden. Mit den
Rechtsfolgen im Blick wird deutlich, wel­
che Schritte im Einzelnen zu unterneh­
men sind, um diese Rechtsfolgen unter
Kontrolle zu halten. Das Pferd muss also
sprichwörtlich von hinten aufgezäumt
werden.
2. Rechtsfolgen der Inanspruchnah-
me der Vollkaskoversicherung
a) Übergang des Anspruchs auf
­Schadenersatz
Durch die Zahlung des Schadens geht der
Schadenersatzanspruch (bis auf die Selbst­
beteiligung) auf die Vollkaskoversiche­
rung über. Der Anspruch, den der Ge­
schädigte hatte, wandert gewissermaßen
mit der Zahlung zur Vollkaskoversiche­
rung.
b) Höherstufung
Bei der Inanspruchnahme wird der Voll­
kaskovertrag belastet. Damit steigt die
Prämie, wovon der Kunde sicherlich nur
mäßig begeistert sein wird.
c) Meldung bei der HIS-Datenbank
Die Inanspruchnahme der Vollkaskover­
sicherung wird möglicherweise bei der
HIS-Datenbank (Hinweis- und Informa­
tionssystem der Versicherungswirtschaft)
gemeldet.
3. Der Umgang mit den Rechtsfolgen
a) Die Vollkaskoversicherung
ist nach
dem Ausgleich des Schadens Inhaber der
Forderung. Diese kümmert sich nunmehr
selbst um die Begleichung, sprich Regu­
lierung des Schadens durch die eintritts­
pflichtige Versicherung des Unfallgegners.
Hierzu wird sie diese in der Regel in Re­
gress nehmen. Für den Geschädigten ist
nur wichtig, dass er der Haftpflichtversi­
cherung mitteilt, dass der Schaden nun­
mehr nicht an ihn, sondern an seine Voll­
kaskoversicherung zu regulieren ist. Die
Selbstbeteiligung, die der Geschädigte mit
seiner Vollkaskoversicherung vereinbart
hat, bekommt er als „Restposten“ von der
Haftpflichtversicherung.
b) Nach der Inanspruchnahme
der Voll­
kaskoversicherung steigt dort die Prämie
für den Geschädigten. Es entsteht der so­
genannte Höherstufungsschaden. Dieser
Schaden muss von der Haftpflichtversi­
cherung ersetzt werden, so dass dem Ge­
schädigten hier kein Schaden entstehen
sollte.
c) Eine Abrechnung
über die Vollkasko­
versicherung führt unter bestimmten
­Umständen zu einer Meldung in der HIS-
Datenbank. Diese Datenbank soll die
Versicherungswirtschaft bzw. die „Ge­
meinschaft der Versicherten“ vor Betrug
schützen. Diese Datenbank wird aus da­
tenschutzrechtlicher Sicht von einigen
Stimmen durchaus kritisch gesehen, sie ist
aber existent und man muss damit umge­
hen.
Fazit:
Die einzelnen Rechtsfolgen können
mit dem entsprechenden Wissen im Griff
behalten werden. Will man alles korrekt
machen, ist der Weg allerdings deutlich
komplizierter, als er auf den ersten Blick
erscheint.
4. Der korrekteWeg in einzelnen
Schritten
a) Warnung an die gegnerische Kfz-
Haftpflichtversicherung
Die Inanspruchnahme der Vollkaskover­
sicherung ist eine Abweichung vom „nor­
malen“ Weg der Schadenregulierung mit
einer entscheidenden Folge für den Un­
fallgegner (bzw. seine Versicherung): Sie
ist teurer.
Aus diesem Grund muss die Versiche­
rung des Unfallgegners gewarnt werden.
Sie hat dann die Möglichkeit, darauf zu
reagieren und die Verteuerung des Scha­
dens abzuwenden. Erfolgt eine solche
Warnung nicht, verstößt der Geschädigte
gegen seine Pflicht zur Schadenminde­
rung und bleibt auf den höheren Kosten
(Höherstufungsschaden, wie oben be­
schrieben) sitzen.
Ist bereits von Anfang an klar, dass der
Geschädigte die Reparatur nicht vorfinan­
zieren kann, sollte diese Warnung bereits
mit der Schadenmeldung an die Versiche­
rung des Gegners erfolgen.
b) Meldung an die Vollkasko und an die
gegnerische Haftpflichtversicherung
Die Meldung an die Vollkaskoversiche­
rung erfolgt in der Regel über ein Formu­
lar, welches über die jeweils zuständige
Versicherung anzufordern ist. Zum Zeit­
punkt der Zahlung durch die Vollkasko
geht der Schadenersatzanspruch automa­
tisch auf diese über (vgl. oben Punkt 2. a).
Das heißt, ab diesem Zeitpunkt ist auch
die Versicherung der Gegenseite darüber
zu informieren, dass nunmehr nur noch
der Betrag der Selbstbeteiligung an die
Werkstatt bzw. den Geschädigten zu zah­
len ist.
c) Höherstufungsschaden
Nachdem die Vollkaskoversicherung ihre
Leistung erbracht hat, lässt sich dort auch
erfragen, wie hoch der Höherstufungs­
schaden ist. Diese Auskunft sollte schrift­
lich von der Versicherung angefordert
werden. Die Einzelheiten richten sich
nach den jeweiligen Vereinbarungen und
können hier nicht umfassend behandelt
werden. Jeder Versicherungsvertrag hat
seine Eigenheiten und sollte konkret für
diesen Fall unabhängig geprüft werden.
d) HIS-Datenbank
Hier muss die Vollkaskoversicherung um
Auskunft ersucht werden. Im Zweifel
kann man selbst bei der HIS-Datenbank
eine Anfrage stellen. Ob und wie ein
­möglicherweise vorhandener Eintrag lö­
schungswürdig ist, ist sehr vom Einzelfall
abhängig. Im Sinne des Datenschutzes
lohnt sich jedoch ein Hinterfragen der
möglichen Eintragung.
Fazit:
Die Vorfinanzierung des fremdverschul­
deten Reparaturschadens über eine Voll­
RA MARTIN DIRSCHERL
RA Martin
­Dirscherl ist als
Fachanwalt für
Verkehrsrecht
in eigener
Kanzlei tätig. ­
Er berät und
vertritt Auto­
häuser wie
auch Privatper­
sonen in allen
verkehrsrechtli­
chen Belangen und ist Mitglied der Arbeits­
gemeinschaft Verkehrsrecht im DAV.
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